Der Marktplatz-Leitfaden für Einsteiger

Der Marktplatz-Leitfaden für Einsteiger

Das Absatzpotential der grossen Marktplätze lockt viele Händler. Wie gehen Unternehmen am zweckmässigsten vor, wenn sie sich für eine Plattform entschieden haben?

Globale, regionale und branchenspezifische Marktplätze bemühen sich nach wie vor um neue Handelspartner. Entsprechend vielfältig ist die Auswahl für Handelsunternehmen und Markenhersteller. Allerdings können die ersten Schritte auf dem Marktplatz eine Herausforderung sein. Eventuell sind Wartezeiten zu überbrücken, bis der Marktplatzbetreiber das Angebot freischaltet. Und auch die erforderlichen Daten und Schnittstellen sind eine nicht zu unterschätzende Aufgabe. Damit das Debüt auf dem Marktplatz auch ein Erfolg wird, sollten einige grundlegende Dinge beachtet werden.

Wahl des optimalen Marktplatzes

Der Einstieg auf einem der grossen Markplätze (je nach geografischem und Sortimentsfokus Galaxus, Zalando, Amazon, Ricardo usw.) scheint auf der Hand zu liegen. Mehr Reichweite geht kaum. Händler, die jetzt ins Marktplatz-Geschäft einsteigen, müssen sich allerdings bewusst sein, dass auf den arrivierten Plattformen die Konkurrenz wahrscheinlich schon aktiv ist. Der Wettbewerb mit bekannten und noch unbekannten Mitbewerbern ist entsprechend hart. Zudem erfordert gerade das erfolgreiche Agieren auf grossen Plattformen wie Amazon, oder asiatischen Marktplätzen wie JD oder Alibaba viel spezifisches Knowhow, Durchhaltewille und (Marketing-)Budget.

Es kommt vor, dass Unternehmen mit falschen Erwartungen bei uns einsteigen und dann auf halben Weg aufgeben. Daher ist es wichtig, ein gutes Bild zu haben, was auf einen zukommt beim Einstieg auf Galaxus.

Claudio Mohr, Head of Portfolio Development Platform, Digitec Galaxus

Deshalb kann es zielführender sein, sich einer kleineren Plattform anzuschliessen. Am Ende kann ein solcher Marktplatz finanziell attraktiver sein. Es lohnt sich, vorab zu recherchieren, ob das eigene Sortiment nicht möglicherweise auch gut zu einem vertikalen Branchen-Marktplatz passt.

Je nach Sortiment bietet es sich zudem an, nicht nur über einen einzigen Marktplatz, sondern über mehrere Plattformen zu verkaufen, da diese oft unterschiedliche Kundensegmente ansprechen.

Ein Überblick über die wichtigsten Marktplätze für die Schweiz findet sich im Kapitel «Die Stärken und Schwächen der wichtigsten Marktplätze der Schweiz».

Anforderungen des Marktplatzes beachten

Ist ein potenzieller Marktplatz gefunden, sollten unbedingt die Geschäftsbedingungen der Plattform und die Zulassungsbeschränkungen gründlich studiert werden. Denn diese bilden die Grundlage der Beziehungen zwischen Händler und Plattform. In der Regel sind hier beispielsweise die Gewährleistungs- und Rücknahmepflichten geregelt, die teilweise über das hinausgehen, was der Gesetzgeber eigentlich vorschreibt. Viele Plattform verpflichten dazu, ein bestimmtes Zeitfenster zwischen Bestelleingang und Auslieferung einzuhalten. Da eine schnelle und zuverlässige Lieferung zentral für das Einkaufserlebnis ist, wird dieser Punkt von den Marktplätzen strikt kontrolliert.  In jedem Fall sollte sich der Händler fragen, ob er die geforderten Verpflichtungen dauerhaft erfüllen kann (und will).

Preiskalkulation und Kostenrechnung

Wichtig sind die Kosten, die die Markplätze verrechnen. Diese sind je nach Kategorie unterschiedlich und orientieren sich am Verkaufspreis. Zudem ist der Händler bei der Preisgestaltung nicht völlig frei; schliesslich trifft er auf Konkurrenten, die ebenfalls Geschäfte machen wollen. Die Preistransparenz ist auf einer Plattform hoch. Bieten mehrere Händler das gleiche Produkt an, wird derjenige mit den niedrigsten Preisen offensichtlich die meisten Verkäufe schaffen. Die Händler müssen also genau kalkulieren, ob sie in der Lage sind, die angebotenen Preise auch mitzugehen, selbst wenn sie einiges an Marge an die Plattform abgeben müssen. Daher lohnt es sich, die Konkurrenzsituation auf den Marktplätzen vor dem Einstieg genau anzuschauen.

Oft bieten Marktplätze zudem weitere Services, wie Werbeflächen oder ein besseres Ranking, an. Diese kosten ebenfalls Gebühren. Dies alles muss sorgfältig kalkuliert und budgetiert werden, um herauszufinden, ob sich auf dem Marktplatz Geld verdienen lässt. Ohne eine seriöse Kalkulation kann es sonst passieren, dass pro Verkauf draufgezahlt wird.

Einen Überblick über mögliche Kosten finden Sie im Kapitel «Ein Plan für den Einstieg auf Marktplätzen».

Produktdaten und Schnittstellen bedienen

Marktplätze stellen unterschiedliche Anforderungen an die Bereitstellung der Produktinformationen. In jedem Fall müssen aber die Händler in der Lage sein, die Daten in guter Qualität (vollständig, fehlerfrei, in korrekter Struktur, übersetzt usw.) zu liefern. Dies stellt Händler vor unterschiedlich grosse Herausforderungen. Zwar lassen sich die Daten oft auch mit der nötigen Handarbeit aufbereiten, jedoch ist dies auf längere Sicht und bei grossem Produktsortiment keine tragfähige Lösung.

Wir versuchen die Anbindung für unsere Marktplatzpartner so einfach wie möglich zu gestalten. Dennoch müssen sie gewisse Anforderungen z.B. im Bereich der Datenqualität erfüllen. Teilweise wird dies von Händlern unterschätzt.

Claudio Mohr, Head of Portfolio Development Platform, Digitec Galaxus

Je besser strukturiert die Daten bereits vorhanden sind, desto einfacher wird es für Händler, sich an Marktplätze anzubinden. So haben Handelsunternehmen mit einem gut gepflegten ERP, einem bestehenden Online-Shop oder gar PIM einen klaren Vorteil. In vielen Fällen lassen sich diese Systeme nutzen, um die Daten nach den Vorgaben der Marktplätze aufzubereiten. Oder sie verfügen bereits über Schnittstellen zu Marktplätzen. Bei einigen Plattformen wird die Datenlieferung einfacher für Produkte, die bereits auf dem Marktplatz verfügbar sind. Dort kann dann auf die bereits bestehenden Produktdaten zurückgegriffen werden, sofern die Händler die korrekte GTIN-Nummer liefern.

Eine wichtige Rolle spielt die Synchronisation des Warenbestands mit dem Marktplatz. An dieser Stelle kommen erneut die AGB ins Spiel. Hat sich der Händler dazu verpflichtet, nach den Spielregeln des Marktplatzes zu agieren, dann muss er auch liefern können oder ein Produkt aus dem Angebot nehmen, wenn er es nicht mehr auf Lager hat. Da zum Teil unterschiedliche Verkaufskanäle wie der eigene Online-Shop, Filialen usw. auf das gleiche Lager zugreifen, ist die Handhabung der Verfügbarkeit je nach Konstellation eine Herausforderung.

Zudem werden qualitativ hochwertige Produktbilder benötigt. Diese werden jedoch nicht immer von den Herstellern geliefert. So ist es gut möglich, dass die Händler eigenen Aufwand in die Bearbeitung oder gar das Shooting von Produktfotos stecken müssen. Auch hier sind die Händler im Vorteil, die bereits über gutes Bildmaterial aus dem eigenen Online-Shop verfügen.

Effiziente und zuverlässige Prozesse schaffen

Da die Betreiber eines Marktplatzes viel Wert auf die Einhaltung der gegenüber der Kundschaft gegebenen Qualitätsversprechen legen, ist besonders die Einhaltung der zugesagten Lieferfristen wichtig. Alle Prozesse vom Bestelleingang über den Versand bis zu einer eventuellen Reklamation sollten also genau durchgespielt werden: Nur so wird vermieden, dass es im laufenden Betrieb zu Problemen kommt.

Die Bedienung der Schnittstellen des Marktplatzes nimmt eine hohe Bedeutung ein. Besonders bei steigenden Bestellvolumen ist es wichtig, dass der Austausch über Status der Bestellung, Retouren usw. automatisch zwischen Marktplatz und Händler erfolgen kann.

Manor stellt die Digitalisierung in den Mittelpunkt seiner Strategie. Der Start unseres Marktplatzes ist ein echter Meilenstein, der es Manor ermöglicht, seinen Omnichannel-Charakter weiter auszubauen. Unsere Vision: Wir wollen unser Produktangebot für unsere Kundinnen und Kunden online und im Geschäft erweitern und gleichzeitig starke Beziehungen zu unseren Partnern aufbauen.

Thibault Delhoume, Head of Marketplace, Manor AG

Testen und skalieren

Selbst wenn vorab alle Prozesse durchdacht wurden, steckt der Teufel bekanntlich im Detail. Bevor also das gesamte Sortiment auf eine Plattform hochgeladen wird, ist es ratsam, zunächst mit einer Artikelauswahl oder einer Produktkategorie zu beginnen. So können risikoärmer erste Erfahrungen gesammelt werden. Wer bereits ein funktionierendes Shopsystem und geübte Logistikprozesse besitzt, dürfte vor keine unlösbaren Probleme gestellt werden. Trotzdem befindet sich die gesamte Organisation und das Backend des Händlers vor einer neuen Herausforderung.

Wenn es in den ersten Tagen bzw. Wochen zu keinen nennenswerten Problemen gekommen ist, kann das Sortiment auf dem Marktplatz dann sukzessive ausgebaut werden.

Man sollte einfach mal starten und testen und dann kontinuierlich optimieren.

Daniel Röthlin, Geschäftsleiter, Ex Libris

Dieses schrittweise Vorgehen ist auch die beste Strategie, wenn ein bereits bestehendes Marktplatzgeschäft über die gleiche Plattform auch auf ausländische Märkte ausgeweitet werden soll. Denn in diesem Zusammenhang sind dann ja noch einige rechtliche Fragen wie Steuer- und Zollproblematik zu klären.

Preis- und Marktbeobachtung

Wer auf einem Marktplatz erfolgreich sein will, darf ihn nicht einfach passiv als ein zusätzliches Schaufenster im Internet betrachten. Dort erfolgreiche Handelsunternehmen und Markenhersteller agieren dort aktiv. Dazu gehört auch eine Analyse der direkten Konkurrenten: Was machen diese besonders gut? Warum kaufen die Kundinnen und Kunden dort? Was könnte der Händler besser oder anders machen? Bei dieser Analyse ergeben sich immer wieder Potentiale für die Verbesserung (z.B. direkt Empfehlungen aussprechen, eigene Vorschläge zur Produktauswahl liefern usw.). Einfach nur die Standbeschreibungen der Hersteller integrieren und damit online gehen, genügt nicht.

Gerade weil die Plattformen so erfolgreich sind, ist der Wettbewerb entsprechend hart. In einem so umkämpften Segment entscheidet in letzter Konsequenz der Preis. Deswegen müssen die Preise der Konkurrenz aktiv beobachtet werden, um diese auch unterbieten zu können. Das funktioniert am einfachsten durch den Einsatz von passender Software wie Re-Pricing- und Dynamic-Pricing-Systemen. Bei Produkten mit geringen Margen ist es auch stets eine Überlegung wert, dem Preiskampf durch das Schnüren eigener Produkt-Bündel aus dem Weg zu gehen.

Einsatz von Tools und Dienstleistern prüfen

Marktplätze im Internet sind Beispiele für datengetriebene Geschäftsmodelle. Ohne akkurate und möglichst aktuelle Produktdaten geht es beispielsweise gar nicht. Händische Prozesse kosten zu viel Zeit. Und die Komplexität für alle Aufgaben im Backend eines Händlers steigt exponentiell, wenn neben Online-Shop auch noch mehr als ein Marktplatz aktiv genutzt werden soll.

Im Kern werden zwar immer die gleichen Informationen benötigt, aber nicht jede Datensammlung (Produktdatenfeed) ist identisch. Eine Herausforderung kann darin bestehen, dass das eingesetzte Shopsystem oder die Warenwirtschaft gar keine Schnittstelle zum ausgewählten Marktplatz besitzt.

An dieser Stelle kann der Einsatz von Dienstleistern oder speziellen Tools eine Lösung sein, um die Effizienz in der Bearbeitung der Marktplätze zu steigern. Beispiele dafür sind etwa Middleware-Lösungen wie ChannelAdvisor oder ChannelPilot. Der Händler bearbeitet an einer zentralen Stelle seine Produktdaten und die Systeme kümmern sich nicht nur um die Aufbereitung der Informationen in das Zielformat des Marktplatzes, sondern auch um die regelmässige Aktualisierung.

Gerade rund um die grossen und weltweit bekannten Marktplätze ist ein ganzes Ökosystem an Softwarelösungen entstanden, die die Arbeit mit den Plattformen vereinfacht, gerade dann, wenn es um die Nutzung von Zusatzservice wie Lagerung oder Fulfillment geht.

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