Wird der Onlinehandel grün?

Nachhaltigkeit Wird der Onlinehandel grün?

Publiziert am 24.03.2020 von Susanne Lüdi, Digital Product Managerin, Post CH AG

Der Boom des Onlinehandels kennt auch eine Kehrseite der Medaille: Verpackungsmüll, ineffiziente Lieferungen und massenhafte Retouren. Ein Missstand, der allen Beteiligten bewusst ist. Gefordert sind jetzt nachhaltige Konzepte.

Wie «grün» wird der Onlinehandel? Wir haben nachgeforscht, welche Trends und Themen das Thema Nachhaltigkeit im Onlinehandel bestimmen:

Retouren und Warenvernichtungen vermeiden

Gemäss dem E-Commerce Stimmungsbarometer 2019 kaufen mehr als 70 Prozent aller Schweizerinnen und Schweizer monatlich oder häufiger im Internet ein. Jedes sechste Paket wird vom Kunden allerdings wieder zurückgeschickt – auf Kosten der Onlinehändler und der Umwelt (Süddeutsche Zeitung, Mai 2019). Für den Schweizer Kunden ist eine kostenlose Rücksendung sogar entscheidend für die Wahl des Onlineshops (E-Commerce Stimmungsbarometer 2019). Um diese Entwicklung einzudämmen, wird aktuell eine gesetzlich verpflichtende Rücksendegebühr diskutiert (ARD-aktuell, Dezember 2019).

Wie die Universität Bamberg herausgefunden hat, landen rund 4 Prozent der zurückgesendeten Artikel im Müll. In dieser Zahl ist allerdings die Vernichtung von nicht verkauften Waren nicht enthalten (Süddeutsche Zeitung, Juni 2019). In Deutschland soll nun ein neues und umstrittenes Retourengesetz für eine niedrigere Quote bei der Vernichtung von Rücksendungen sorgen (t3n, Februar 2020).

Verpackung weisen ein hohes Potenzial hinsichtlich Nachhaltigkeit auf

Beinahe die Hälfte der Befragten achtet darauf, ob ein Onlinehändler nachhaltige Verpackungen verwendet. Am Wichtigsten für die Konsumenten sind grössenoptimierte Verpackungen, dicht gefolgt von Rückversand derselben Verpackung sowie umweltfreundliches Verpackungs- und Füllmaterial (Magento Studie, 2019). Drei Viertel der Verbraucher würden ein Mehrwegsystem bei Versandverpackungen begrüssen (PwC, 2018). Die Dispobox der Post ist beispielsweise bei Lebensmittellieferungen bereits im Einsatz.

Gemäss der Logistik-Studie (2019) des Händlerbunds haben sich im Vergleich zum Vorjahr mehr Händler für umweltfreundliche Verpackungen entschieden. Entscheidend für die Wahl der Verpackung sind aber nach wie vor die Kosten.

Die KEP-Studie (2019) zeigt auf, dass nachhaltige Verpackungslösungen für den Onlinehandel in vielerlei Hinsicht relevant sind. Es geht darum, Material möglichst effizient einzusetzen. Das senkt Kosten für Versender, mindert Abfälle und reduziert den Ressourcenverbrauch. Die Verpackungsgrössen haben auch unmittelbaren Einfluss auf die Beladung der Zustellfahrzeuge, denn kleinere Pakete unterstützen die innovative Zustellungskonzepte, wie Mikrodepots, bei denen die Zustellung in Innenstädten mit Lastenfahrrädern erfolgt. Schliesslich ist auch die Sicherheit von Verpackungen wesentlich: Das richtige Verpacken garantiert, dass die Ware unbeschädigt beim Empfänger ankommt, dadurch werden auch unnötige Retouren vermieden.

Erstzustellrate der Paketsendungen möglichst hochhalten

Die HSG (2017) stellt bei ihrer Studie eine interessante These auf, dass der Onlinehandel umweltverträglicher als der stationäre Handel sei: Im urbanen Raum fallen aufgrund effizienter und gebündelter Zustellung im Onlinehandel durchschnittlich weniger CO₂-Emissionen pro Paket an. Konkretes Beispiel: Die Schweizerische Post verzeichnet eine hohe Erfolgsquote von rund 90 Prozent in der Erstzustellung von Paketen. Je weniger Wege zurückgelegt werden, umso besser für die Klimabilanz. Immer mehr Verbraucher wählen Zustelloptionen wie die Deponierung an einem sicheren Ort, Abholung von Onlinekäufen in Filialen oder bei einer Abholstation (MetaPac, 2018). In ländlichen Gebieten entstehen beim stationären Einkauf mehr CO₂-Emissionen durch längere Anfahrten im eigenen Fahrzeug und beim Instandhalten der Verkaufsfläche. Nichtsdestotrotz lässt sich keine allgemeingültige Aussage aus der Studie ableiten, da viele verschiedene Faktoren zu berücksichtigen sind (HSG, 2017).

Retten Sammellieferungen die Welt?

Die Schweizer Kunden wünschen sich, dass sie ihre verschiedenen Bestellungen in einer einzigen Lieferung erhalten, sogenannte Sammellieferungen. Die globale Verbraucherstudie von MetaPack (2018) besagt, dass Sammellieferungen auch im deutschen Markt für Onlinekäufer attraktiv sind. 61 Prozent würden sich sofort für eine Sammellieferung entscheiden. Ein einzelnes Lieferfenster ist einfacher planbar und die Umwelt wird auch geschont. ExLibris beispielsweise lässt den Kunden wählen, ob er Teillieferungen oder die umweltschonende Sammellieferung bevorzugt, was unter Umständen 1-2 Tage länger dauert (Exlibris, 2019).

Slow Logistics – der neue Megatrend in der nachhaltigen Lieferung?

Laut eines Artikels von Axios (Juni, 2019) ist die Liefereffizienz für jeden Händler entscheidend. Dabei wird auch enormer Druck bei den Vertriebsunternehmen aufgebaut. Mit der Beschleunigung des Prime-Versands von zwei Tagen auf einen Tag hat Amazon eine neue Normalität geschaffen – auf Kosten der Umwelt. Doch Amazon ist oft einen Schritt voraus und hat bereits in die andere Richtung gedacht. Warum schnell, wenn es auch langsam geht? In Grossbritannien wirbt der US-Konzern mit Rabatten für Kunden, wenn sie die Option «No-Rush-Shipping» wählen, zu Deutsch das Ohne-Eile-Angebot (Amazon, 2020). Das Angebot scheint ein Kundenbedürfnis zu treffen. Das E-Commerce Stimmungsbarometer (2019) zeigt auf, dass die Zustellung am selben Tag eher gering nachgefragt wird. Dies bestätigt auch eine Studie der PwC: Etwa 70 Prozent der jungen akademischen Befragten geben an, dass sie eine langsamere Lieferoption akzeptieren, wenn diese nachweislich ökologischer, günstiger oder wirklich pünktlich ist (Süddeutsche Zeitung, September, 2019).

Wir sitzen im selben Boot

Es findet ein Umdenken statt. Es gibt Massnahmen, die bereits umgesetzt sind und andere, die sich relativ schnell umsetzen lassen. Voraussetzung sind eine Reihe von Veränderungen in Haltung und Verhalten der Konsumenten. Hersteller, Händler und Logistikunternehmen sollten Nachhaltigkeit nicht in Einzelaktionismus, sondern als strategischen Ansatz im Rahmen eines Gesamtkonzeptes verfolgen.

Es bietet sich hier eine gute Gelegenheit, um Konsumenten an die Hand zu nehmen, ihnen Orientierung und Unterstützung im Bereich Nachhaltigkeit zu gewähren und sie dadurch an sich zu binden. Ob diese Entwicklung Richtung Nachhaltigkeit im Onlinehandel selbstregulierend geschieht oder ob die Politik eingreift, sei dahingestellt. Am Schluss müssen wir uns bewusst sein, dass wir alle für unser Handeln und unsere Umwelt verantwortlich sind und ein Abschieben dieser Verantwortung keine Lösung ist. Denn: There is no Planet B.

Interessant

Susanne Lüdi, Digital Product Managerin, Post CH AG

Sie ist digitale Product Managerin im Competence Center Digital Commerce bei der PostLogistics, unterstützt die Kunden bei ihrer Onlinesendungssteuerung. Der Kunde steht dabei stets im Zentrum, so entstehen neue Dienstleistungen direkt am Puls des Marktes. Als aktive Onlineshopperin testet sie die jeweiligen Angebote eins zu eins.

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