Zum Jahreswechsel im Handel: Was war? Was kommt?

Frau vor Bildschirmen voller Daten

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Rückblick Zum Jahreswechsel im Handel: Was war? Was kommt?

Publiziert am 28.12.2022 von Stephan Lamprecht, Journalist

Ein bewegtes Jahr für den Handel neigt sich dem Ende entgegen. Was ist aus den prognostizierten Trends für den Onlinehandel und den klassischen Retail geworden? Worauf müssen sich Handelsunternehmen 2023 einstellen? Wir blicken in die Glaskugel und halten Rückschau.

In den Handelsmedien tönt es rechtzeitig vor dem Jahreswechsel immer gleich. Branchenanalysten und Expertinnen klopfen aktuelle Entwicklungen ab und rufen die ihrer Meinung nach wichtigsten Trends für die kommenden zwölf Monate aus. Aber was ist 2022 aus diesen Prognosen geworden? Und wie mag das kommende Jahr für den Handel aussehen?

Geopolitik verdarb alle Prognosen

Vor rund zwölf Monaten standen die Zeichen im Handel auf «Normalisierung». Die Pandemie schien überwunden, eine Rückkehr in ein geregeltes Leben möglich. Zwar unter anderen Vorzeichen, aber immerhin. Wohl niemand konnte sich seinerzeit vorstellen, dass es wenige Wochen später zu einem Krieg auf dem europäischen Kontinent kommen würde.

Doch die kriegerische Auseinandersetzung um die Ukraine warf sämtliche Prognosen und Trendausblicke für den Handel über den Haufen. Statt Investitionen in neue Technologien und der Ausbau von Angeboten bestimmte eine weitere Verschärfung von Lieferkettenproblemen das Jahr 2022.

Und noch viel wichtiger: Eine extremen Verunsicherung der Kundschaft, die sich Sorgen um die Zukunft macht. Wie der Handel ist sie selbst von der weltweit rapiden ansteigenden Inflation betroffen. Keine guten Aussichten, weder für den privaten Konsum noch für grosse Investitionen.

Das Kaufhaus in der Krise und Aufschub vieler Projekte

Wer sich Sorgen darüber macht, ob er die kommenden Abschlagsrechnungen seiner Strom- und Gasversorger bezahlen kann, achtet streng auf seine Ausgaben.

Eines der prominentesten Opfer dieser Kaufunlust ist sicherlich der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof in Deutschland. Das Unternehmen sieht sich erneut zu harten Einschnitten gezwungen und wird noch mehr Häuser schliessen müssen. Das klassische Warenhaus: Es steckt mehr denn je in einer Krise.

Da blieb die Insolvenz der Schuhhauskette Görtz fast eine Randnotiz, wie auch die Schliessung des digital getriebenen Zukunftstores von BonPrix in Hamburg. Dort sollte nicht weniger als die nächste technologische Retail-Revolution vorangetrieben werden.

Zum Jahreswechsel wurde auch das Metaversum als der «Place to be» im virtuellen Raum angesehen. Inzwischen hat Meta (Mutter von Facebook) als wichtigstes Unternehmen hinter dieser Entwicklung angekündigt, massiv Stellen abbauen zu müssen.

Natürlich gab es auch in diesem Jahr «Leuchtturm-Projekte», wie die Eröffnung eines «Pick&Go»-Stores des Rewe-Konzerns. Aber das sind Einzelerscheinungen, die den Handel nicht grundlegend geprägt haben.

Und statt des immer wieder in Aussicht gestellten Endes des Bargelds ist dieses immer noch da. Offensichtlich sind den Menschen in Krisenzeiten die Scheine im Portemonnaie immer noch wichtig.

Apropos Bezahlen: Der bisherige Medien- und Analystenliebling Klarna, mit Raten- und Rechnungskauf gross geworden, muss sich inzwischen immer häufiger der Frage stellen, ob sein Geschäftsmodell in Zeiten steigender Zinsen eigentlich noch eines ist.

Und schien Anfang des Jahres der «Quick Commerce» mit seinen besonders schnellen Lieferdiensten ein wichtiger Trend zu sein, dominieren inzwischen wilde Übernahmeschlachten, ernüchternde Betrachtungen bei Venture-Capital-Gebern und zu kleine Warenkörbe die Schlagzeilen.

Kurzum: Viele Prognosen sind wegen der wirtschaftlichen Lage nicht eingetreten. Und technologische Trends wie der Social Commerce haben keinen Schwung aufgenommen, weil die damit zusammenhängenden Projekte verschoben wurden.

Die Herausforderungen für das Jahr 2023

Die Rückschau auf die vergangenen zwölf Monate zeigt deutlich, wie schnell alle Prognosen falsch liegen können, wenn sich wesentliche Rahmenbedingungen ändern. Deswegen beschränkt sich die Jahresvorschau auch auf die wohl wichtigsten Herausforderungen (online und stationär):

  • Hoher Kostendruck: Die steigenden Energiekosten setzen den Handel unter Druck. Beleuchtung, Heizung und Kühlung von Stores und Lagerhäusern werden teurer. Dies zwingt zu mehr Kostendisziplin und Sparen. Im stationären Handel mit grossen Flächen könnten so bisher verschobene Projekte zu mehr Energieeffizienz, etwa bei der Beleuchtung, deutlich rentabler werden.
  • Höhere Einkaufspreise: Unter steigenden Energie- und Beschaffungskosten leidet auch das produzierende Gewerbe. Die Einkaufspreise für Produkte (nicht nur im Lebensmitteleinzelhandel) steigen. Die Margen werden geringer.
  • Notwendigkeit zu mehr Effizienz: Da sich gestiegene Kosten nur partiell auf die Verkaufspreise umlegen lassen, müssen Detail- und Onlinehandel weiter Effizienzen heben, um das Personal noch stärker von zeitraubenden Routinearbeiten zu entlasten und dadurch die Beratung der Kundschaft zu stärken.
  • Lieferkettenprobleme: Die Weltwirtschaft hatte nicht genügend Zeit, um die Folgen der Coronakrise zu kompensieren. Der Krieg in Europa stört Lieferketten und Warennachschub empfindlich. Das merken auch gerade Onlinehändler, die sich des Dropshipping-Modells bedienen.
  • Mangel an Personal: Der Fachkräftemangel, insbesondere im Handel, ist ein Problem, das nicht allein die Schweiz betrifft. Auch im europäischen Ausland suchen Handelsunternehmen händeringend Personal. Umso wichtiger ist das Gebot der Effizienzsteigerung, um die personellen Ressourcen optimal einzusetzen.
  • Steigendes Ausfallrisiko bei Zahlungen: Raten- und Rechnungskauf (unter «Buy Now, Pay Later» zusammengefasst) sind ein probates Mittel, um die Warenkörbe der Kundschaft zu vergrössern. Im gleichen Masse, wie sich die Finanzen privater Haushalte verschlechtern, steigt das Ausfallrisiko für den Handel. Die Steuerung von Bezahlarten und das Risikomanagement wird wichtiger.

Es warten also abseits aller technischen Innovationen viele Herausforderungen und viel Arbeit auf den Handel.

Stephan Lamprecht, Journalist

Stephan Lamprecht begleitet seit zwei Jahrzehnten als Journalist und Berater das E-Commerce-Geschehen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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