Ohne Retouren kein Onlinehandel?

Frau bearbeitet Retourenpakete

Frau bearbeitet Retourenpakete

Onlinehändlerstudie 2022 Ohne Retouren kein Onlinehandel?

Publiziert am 08.11.2022 von Patrick Kessler, Geschäftsführer HANDELSVERBAND.swiss

Jeder Händler möchte möglichst wenige Retouren. Aber sind Retouren – wie in der öffentlichen Wahrnehmung – einfach nur schlecht oder gehört eine Retoure ganz einfach zur existenziellen Grundvoraussetzung eines Onlineeinkaufs?

Würden Sie ohne Retourenmöglichkeit online einkaufen?

Wahrscheinlich nicht – zumindest keine Textilien. Aber wahrscheinlich auch viele andere Güter würden Konsument:innen ohne Rückgaberecht kaum bestellen. Für fast alle Sortimente gilt deshalb: ohne Rückgaberecht keine Bestellungen und kein Onlineumsatz. «Ohne Retouren kein Onlinehandel» ist deshalb eine berechtigte Aussage.

Die Retoure aus ökonomischer Sicht

Aus unternehmerischer Sicht ist die Retoure eine enorme Belastung. Ein Händler muss die Ware bereithalten, kommissionieren, verschicken, nach spätestens 14 Tagen einen Teil davon zurücknehmen und einen kleinen Teil gar aus dem Verkehr ziehen. Es fallen somit Verarbeitungs-, Versand- und Neuverpackungskosten an. Unternehmen setzen daher verschiedene Massnahmen um, um die Retourenquote zu senken.

Die Retoure aus ökologischer Sicht

«Die Retouren im Versandhandel sind ökologisch extrem belastend» lautet eine verbreitete Meinung.
Eine Meinung, deren Differenzierung wichtig erscheint, denn:

  • Verpackung: Die Retoure wird im Normalfall in der Versandverpackung zurückgegeben. Die meisten Verpackungsmittel sind heute gerade darauf ausgelegt, zweimal verwendet zu werden – ob für eine Retoure oder den Versand eines Geschenks an Freund:innen.
  • Transport: Die Retoure wird zu 98 Prozent in Umlauftransporten «auf dem Rückweg» mitgenommen. Es fällt nur in Ausnahmefällen ein Sondertransport an. Anders formuliert: Wenn die Postdienstleister keine Retouren mehr zurückführen würden, würde ihre Auslastung rapide sinken, aber keine einzige Fahrt wegfallen.
  • Ware wird vernichtet: Dies ist das meistgehörte und emotionalste Argument. Gemäss den Erfahrungen vom HANDELSVERBAND.swiss sind 1 bis 2 Prozent der Waren aus Retouren in der Schweiz nicht wiederverkäuflich, da sie defekt, gebraucht oder nicht mehr modisch sind. Kein Unternehmen vernichtet Waren freiwillig – es sei denn, Gesetze (wie zum Teil in der EU) belegen Verkäufe unter dem Einkaufspreis mit zusätzlichen Steuern. Diese Gesetze werden aber zum Glück aktuell angepasst.

Die Retoure ist in erster Linie ein betriebswirtschaftliches Problem. Die Vernichtung ist kein inhärentes Problem des Versandhandels, sondern des Handelns und des Wirtschaftens per se.

Retourenquote in Prozent des Warenwerts?

Zuerst gilt es, die richtige Messgrösse zu definieren: Was ist eine Retourenquote? Für die Onlinehändler steht die Retourenquote im Sinne von «Retournierter Warenwert : versandter Warenwert» im Vordergrund. Oder anders formuliert: Wie viel Geld bleibt von der Bestellung effektiv als Umsatz übrig? Insbesondere im Textilbereich können diese Quoten sehr hohe Werte und sogar existenzbedrohende Dimensionen annehmen. Im Umkehrschluss kann man auch sagen: Offenbar ertragen einige Onlinegeschäftsmodelle eine Retourenquote von 50 Prozent, andere aber nur eine von 5 Prozent – es ist alles eine Frage der Bruttomarge bzw. des absoluten Deckungsbeitrags zur Deckung der variablen logistischen Kosten.

Retourenquote in Prozent der Paketmenge?

Von der Unternehmensbetrachtungsweise abgegrenzt werden muss die Retourenquote in Bezug auf die Paketmenge. Die Quote von «Retournierte Pakete: ausgesandte Pakete» ist immer höher als diejenige der wertmässigen Retourenquote, denn nicht jedes retournierte Paket bedeutet eine «Vollretoure». Häufig ist nur noch ein Bruchteil der versandten Ware im Retourenpaket – entsprechend verzerrt sind die Wahrnehmungen.

Wahrnehmung «Jedes Textilpaket geht zurück»

Diese Wahrnehmung ist wahrscheinlich nicht ganz von der Hand zu weisen, gerade im Textilhandel ist diese Quote sehr hoch. Aufgrund der oben geschilderten Argumente ist aber der Rückversand für Händler kein ökologisches, sondern vielmehr ein betriebswirtschaftliches Problem. Und gerade weil es eine betriebswirtschaftliche Herausforderung darstellt, arbeiten alle Unternehmen intensiv an entsprechenden Programmen zur Retourenvermeidung, denn jedes Retourenpaket weniger stellt einen puren Deckungsbeitrag für Onlinehändler dar.

Daraus kann geschlossen werden, dass ein Onlinehandel ohne Retouren nicht möglich ist – ohne Wenn und Aber!

Patrick Kessler, Geschäftsführer HANDELSVERBAND.swiss

Patrick Kessler führt seit 2020 den HANDELSVERBAND.swiss. Der Verband ist aus einer Fusion von VSV ASVAD (Verband des Schweizerischen Versandhandels) und VSF (Verband Schweizer Filialunternehmen) hervorgegangen und steht für die digitale Zukunft des Handels über alle Kanäle hinweg.

Portrait Patrick Kessler

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