Beeinflusst das Coronavirus Konsumgewohnheiten?

COVID-19 Beeinflusst das Coronavirus Konsumgewohnheiten?

Publiziert am 08.04.2020 von Alexis Chappatte, Digital Commerce Consultant, Post CH AG

Die Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben in der Schweiz, wie in vielen anderen Ländern, zu einem Boom beim Onlineshopping geführt. Werden sich damit auch die Konsumgewohnheiten im E-Commerce langfristig verändern? Dieser Artikel skizziert einige Hypothesen.

Wie die Vergangenheit zeigt, haben Krisen oft Veränderungen beschleunigt. Verhaltensweisen und Gewohnheiten, die sich vermutlich erst nach Jahren oder Jahrzehnten durchgesetzt hätten, wurden zur Normalität. Die neuen Gewohnheiten waren notwendig, um auf die neue Situation reagieren zu können. Gleichzeitig wächst damit ihre Akzeptanz in der Bevölkerung, weil sie bisher wenig bekannt und wenig praktiziert wurden.

Gemäss den neuesten Zahlen des VSV beträgt der Anteil des Onlinehandels in der Schweiz im Jahr 2019 9,1% – weniger als in den nordeuropäischen Ländern und im Vereinigten Königreich. Als Erklärung lieferte im Januar 2020 die Retail Outlook Studie der Crédit Suisse mehrere Faktoren, insbesondere die Macht der Gewohnheiten: Viele Schweizerinnen und Schweizer kaufen lieber im Laden ein, weil sie dies schon immer getan haben. Damit stellt sich die Frage, welche Veränderungen die derzeitige Schliessung vieler Geschäfte langfristig bewirkt.

Entwicklung der Onlineshopping-Gewohnheiten für Produkte, mit niedriger Nachfrage

Viele Schweizerinnen und Schweizer sind nun zum ersten Mal mit dem Onlineshopping von Lebensmitteln konfrontiert. Mitte März 2020 dauerte es zwei Wochen, bis LeShop.ch, der grösste Online-Supermarkt der Schweiz, die Ware liefern konnte. Bisher zeigte sich die Lebensmittel-Branche sehr resistent gegenüber dem Onlinehandel. Laut den VSV-Statistiken für 2019 wurden nur 2,8% des Umsatzes mit Lebensmitteln und Near-Food-Produkten online erzielt.

In den USA hat eine aktuelle Umfrage gezeigt (Artikel auf Englisch) dass 41% der Online-Bestellungen von Lebensmitteln in den vergangenen Tagen von neuen Kunden kamen. Verschiedene Akteure in der Online-Lebensmittelbranche stellen fest, dass ein erheblicher Anteil der Neukunden über 60 Jahre alt ist. Diese Kunden haben die Möglichkeit mit der Krise entdeckt. Eine Befragte hat diese Veränderung gut zusammengefasst: «Wenn alles wieder normal ist, werde ich sicher wieder online bestellen, es war wirklich einfach».

Andere Sortimente, die noch wenig digitalisiert sind und nach der Krise ein beschleunigtes Wachstum erfahren sollten, sind Produkte in den Bereichen Home & Living und Do-it-Yourself sowie Tierprodukte. Qualipet informiert derzeit über Lieferverzögerungen für Online-Bestellungen auf seiner Website – aufgrund eines stark gestiegenen Bestellvolumens.

Aktuell gibt es viele krisenbedingte Hindernisse für den Endverbraucher, wie lange Lieferzeiten oder virtuelle Warteschlangen für Bestellungen. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass sich diese neue Nachfrage auch nach der Pandemie in der Schweiz weiter verstärken wird.

Kunden öffnen sich stärker gegenüber digitalen Tools

In vielen der noch geöffneten Läden werden die Kunden dazu aufgefordert, nicht mehr mit Bargeld, sondern per Karte oder Smartphone zu bezahlen. Das soll den Kontakt reduzieren, um das Infektionsrisiko zu verringern. Ähnliches zeigt sich bei Banken und Transaktionen am Schalter. So hat UBS beispielsweise eine FAQ online gestellt, in der die Kunden aufgefordert werden, Online-Zahlungen oder mit der TWINT-App vorzuziehen.

Laut einem Interview mit dem St. Galler Tagblatt vermeldet TWINT im März 2020 ein Wachstum von über 50% der Transaktionen bei Online- und Ladeneinkäufen.

Auch in diesem Bereich ist es wahrscheinlich, dass diese Veränderungen zu einer Beschleunigung der öffentlichen Akzeptanz von Online- und mobilen Zahlungsmethoden führen werden. Laut dem E-Commerce Stimmungsbarometer 2019 der Post übertraf im vergangenen Jahr die Zahlung per Kreditkarte (die von 76% der Verbraucher bevorzugt wird) erstmals die Zahlung per Rechnung (75%), während die Zahlung per Handy auf Platz 5 (23%) lag.

Eine andere Art von digitalen Tools, die derzeit ein starkes Wachstum erlebt, sind Apps für die Bestellung von Heimlieferungen, insbesondere für Restaurantlieferungen. In den USA haben die Besitzer dieser Anwendungen in den vergangenen Tagen einen Anstieg der Downloads um mehr als 200% erlebt, und zwar mehr und mehr von Personen über 60 Jahre.

Dieser Boom für die Heimlieferung von Mahlzeiten greift auch auf die Schweiz über. Die Zeitschrift Bilan gibt in einem Artikel vom 20. März an (Artikel auf Französisch), dass Smood.ch 60% mehr Zusteller einstellen musste, um die Lieferungen über ihre App sicherzustellen. Eat.ch konnte seine Bestellungen um mehr als 30% steigern, dabei haben sich 50% mehr Restaurants auf der Plattform registriert.

Wer wird davon profitieren?

In der Schweiz profitieren derzeit vor allem die grossen digitalen Player und Plattformen von der Verlagerung der stationären Einkäufe auf den E-Commerce. Digitec Galaxus, LeShop und andere haben in den vergangenen Wochen für Schlagzeilen gesorgt. Es stimmt, dass sie besser auf die heutigen Herausforderungen vorbereitet sind. Richtig ist auch, dass die Verbraucher in Krisenzeiten dazu neigen, sich an bekannte und vertrauenswürdige Anbieter zu wenden. Aber es gibt derzeit viele Berichte von lokalen Produzenten und KMU in Europa, die von der Krise profitieren, weil sie ihre Produkte bereits online anbieten.

Mir ist aufgefallen, dass viele Geschäfte in den Innenstädten – die keinen Onlineshop haben – derzeit improvisierte Lösungen in Form eines an die Tür geklebten A4-Blatts mit Kontaktdaten anbieten, damit ihre Kunden ihre Produkte weiterhin bestellen können. Andere Laden, wie z.B. die Initiative "Zürich liefert", haben dies in einer besser koordinierten Weise getan. Die aktuelle Krise sollte jedes Schweizer KMU im Einzelhandel ermutigen, sich ernsthaft mit dem Onlineverkauf zu beschäftigen, wenn sie dies nicht bereits tun.

Vor der Krise erwartete der VSV ein kontinuierliches Wachstum des Onlinegeschäfts in der Schweiz von 10% bis 2020. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es höher sein wird, weil sich die Veränderungen in den Konsumgewohnheiten im Laufe der Zeit noch verstärken.

Alexis Chappatte, Digital Commerce Consultant, Post CH AG

Alexis Chappatte verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung und Umsetzung digitaler Transformationsprojekte für Kunden von KMU bis hin zur öffentlichen Verwaltung. Er hilft ihnen dabei, eine nachhaltige digitale Strategie zu entwickeln, die die neuen Konsumgewohnheiten und Erwartungen ihrer Endkunden berücksichtigt.

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