Zukunft: Quo Vadis E-Food Schweiz

Gruppe von Menschen am essen und lachen

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Blogserie Teil 6 Zukunft: Quo Vadis E-Food Schweiz

Publiziert am 10.11.2022 von Dr. Matthias Schu, E-Food Experte & Autor

Coronakonjunktur, Ukrainekrise, Lieferkettenprobleme, Inflation, Konsumrückgang: Seit 2020 herrscht im Handel Ausnahmezustand. Nach der Sonderkonjunktur für den Onlinehandel herrscht mancherorts Katerstimmung wegen der drohenden Wirtschaftskrise. Wie siehts im Schweizer Lebensmittel-Onlinehandel aus?

Wo gehts hin im Schweizer E-Food?

Im Zuge der diesjährigen K5 Konferenz Ende Juni in Berlin präsentierte Jochen Krisch, Konferenzmitgründer und Herausgeber des Exciting Commerce Branchenblogs, der zu den Vorreitern in der deutschen E-Commerce Szene zählt, «The State of Online-Retail» – und damit einen Wasserstandsanzeiger als groben Indikator, wie Unternehmen durch die bisherige Krise gekommen sind. Als zugrundeliegenden Indikator wählt Jochen die umsatzseitige Veränderung von 2019 zu 2022 und setzt diese prozentual ins Verhältnis.

Bei dieser Vorgehensweise wird als Interpretation festgelegt:

  • «Wer umsatzseitig heute (mehr als) doppelt so hoch liegt wie 2019, ist top unterwegs und hat die Corona-Zeit optimal für sich genutzt.»
  • «Wer um 75 bis 100% gewachsen ist, hat in der Corona-Zeit einen guten Job gemacht und liegt im grünen Bereich (bei angenommenen Wachstumsraten zwischen 20 und 25% pro Jahr).»
  • «Nur wer seit 2019 weniger als 50% zugelegt hat, sollte sich ernsthafte Gedanken darüber machen, was in der Corona-Zeit schiefgelaufen ist.»

Diese Faustformel soll nun einmal auf den Schweizer E-Food Markt und die Haupt-Player übertragen werden. Dabei lässt sich feststellen:

Gesamthaft gesehen haben die vier führenden Schweizer E-Food Player nach der obigen Faustformel mit einer Verdopplung der gesamthaften Umsätze seit 2019 mehr als geliefert.

Vor allem die jüngeren Player Farmy und v. a. myMigros haben umsatztechnisch das Maximum aus der Corona-Pandemie herausgeholt und sich mehr als verdoppelt. Coop Online und Migros Online liegen jedoch mit einem jeweiligen Wachstum von über 80% ebenfalls im grünen Bereich. Hier dürften v. a. Restriktionen bei Personalkörper, Lagerplatz und Auslieferstrukturen als Hemmschuh gewirkt haben. Nach der Krisch’schen Faustregel lassen sich den Haupt-Playern im Schweizer E-Food Markt also gute Werte attestieren.

Entwicklung der E-Food Umsätze der Haupt-Player seit 2019
Abbildung: Entwicklung der E-Food Umsätze der Haupt-Player seit 2019

Der Blick in die Kristallkugel – weitere Tendenzen im Schweizer Markt

Wagen wir einmal den Blick in die Kristallkugel und auf Trends, die ebenfalls für den Schweizer E-Food Sektor an Relevanz gewinnen. Bereits die vergangenen zwei Jahre haben gezeigt, dass der Lebensmittel-Onlinehandel das Potenzial hat, aus seiner Nischenpositionierung herauszukommen – und als Pacemaker und Implementator neue Standards für die gesamte E-Commerce Branche setzen kann. Insbesondere Lieferverfügbarkeit, hohe Bestellfrequenz und Geschwindigkeit sind hier die relevanten Themen.

Damit prädestinieren sich E-Food Anbieter, wie von Jochen Krisch für den deutschen Markt angedeutet, auch in der Schweiz als Plattformen der nächsten Generation, um hier neuen Mehrwert und ein funktionierendes Ökosystem für die Kundschaft zu schaffen – zumindest, wenn die Player neben dem Food- auch den Non-Food Sektor stärker beackern und miteinbeziehen.

Ebenfalls geht der Trend hin zu Sameday Delivery und planbaren Lieferslots von maximal einer Stunde, in denen die Kundschaft auf die Bestellung daheim zur Entgegennahme warten möchte. Auch in der Schweiz geht der Kundenwunsch immer stärker in Richtung Flexibilisierung und kürzere Vorlaufzeiten.

Quick Commerce spielt in der Schweiz auf Grund der hohen Lohnkosten und gesetzlichen Regulatorien in Bezug auf Sonntagsarbeit auch zukünftig eher eine untergeordnete Rolle respektive wird nicht die gleiche Verbreitung wie im restlichen DACH-Raum erlangen. Die Zurückhaltung der jetzigen Player, bekannte Finanzierungsprobleme mit Venture Capital Gebern sowie deren Cost-Cutting Bestrebungen deuten darauf hin, dass die Schweiz allenfalls in sechs bis zwölf Monaten sogar wieder eine Zone ohne Quick Commerce werden könnte.

Dass die Schweiz im E-Food Bereich ein herausfordernder Markt für ausländische Player ist, zeigt sich auch bei den bisherigen Markteintritten ausländischer Mitstreiter. Der Markteintritt von Gorillas beschränkt sich weiterhin auf eine Briefkastenadresse in Zürich; auf Grund der aktuellen Finanzierungsprobleme des Quick Commerce Startups und ersten Rückzügen aus verschiedenen europäischen Märkten dürfte das Thema Schweiz damit auch vom Tisch sein.

Auch Rohlik wird hin und wieder als neuer Kandidat für den Schweizer E-Food Markt gehandelt. Hier gehe ich jedoch davon aus, dass Rohlik das für solch einen Markteintritt aufzuwendende Kapital (Lagerstruktur, Länderorganisation inkl. Einkauf, Flotte, Mitarbeitende etc.) effizienter und mit deutlich grösserem Hebel in seinen neuen Ländermärkten und der dortigen Expansion einsetzen kann. Dass sich auch grosse Player am Schweizer Markt und dessen Besonderheiten die Zähne ausbeissen können, zeigt nicht zuletzt das stationäre Abenteuer der französischen Carrefour-Gruppe, die von 1999 bis 2007 den Versuch einer Expansion unternahm.

Bei den Liefergebühren zeichnet sich immer stärker ein Shift in Richtung «Gratislieferung» ab. Dieser Trend wird auch in der Schweiz vermehrt Einzug halten. Solange Liefergebühren noch weit verbreitet sind, sollten die Anbieter die Lieferkosten nicht unnötig unter Druck setzen und parallel mit Hilfe von Automatisierung ihre Prozesse in Lager und letzter Meile auf Effizienz trimmen.

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