Rückblick Online Marketing Konferenz 2019

Online Marketing Konferenz Rückblick Online Marketing Konferenz 2019

Publiziert am 29.08.2019 von Markus Peter, Business Consultant, PostLogistics

Zum siebten Mal fand am Donnerstag, 22. August 2019, die Schweizer Online Marketing Konferenz an der Universität Bern statt. Einmal mehr traf sich die Digitalszene zum Get-Together.

Einen Rückblick auf einen Tag voller Expertenwissen und hochkarätiger Vorträge und Diskussionen zu machen, ist nicht ganz einfach. Wir haben deshalb versucht, einige Highlights herauszupicken.

Prof. Dr. Dirk Morschett, Universität Fribourg

Future Retail – die wichtigsten Zukunftstrends für Händler und Hersteller in der Schweiz

Prof. Dirk Morschett präsentierte die ersten Ergebnisse der Händlerstudie der Uni Fribourg und GS1. Insgesamt haben über 500 Führungskräfte aus dem Handel die Fragen zum IST und zur Zukunft des Handels in der Schweiz beantwortet.

Diese Studie kam – wie viele andere auch - zum Schluss, dass der Onlinehandel den stationären Handel beeinflusst. Dass ausländische Konkurrenten den Handel in der Schweiz bedrängen und die Plattformökonomie auch für den stationären Handel wichtig wird.

Generelle Trends sind die Personalisierung, die Problemlösung statt Produkte für den Kunden und der Handel als Vermittler.

Die Studie ist ab Herbst 2019 verfügbar und kann bei GS1 Switzerland bezogen werden.

Keynote Professor Dr. Zheng Han, Tongji Universität Shanghai

Digitale Innovation «Made in China»

Seine Keynote eröffnete Prof. Zheng Han mit einem eindrücklichen Zeitraster eines Chinesen. Vom Zeitpunkt des Aufwachens bis zum Zubett gehen wird er von seiner App begleitet. Er bestellt darüber sein Frühstück, kauft das Busticket, bezahlt seine Busse, weil er bei Rot über die Strasse gelaufen ist, schnappt sich seinen vorgängig bestellten Kaffee beim To-go-Shop, checkt in der Firma ein und bestellt natürlich wieder das Nachtessen über die App. Dabei setzt man in China eher auf wenige Apps, die aber die gesamte Journey eines Menschen abdecken. Sogenannte Super-Apps. Dies mit dem grossen Vorteil, dass die App-Anbieter, auf der Basis der sehr grossen und detaillierten Datenmengen, viel besser personalisieren können. Dabei sind nicht alle Angebote in den Apps selber erfunden. Gerne bedienen sich die chinesischen Anbieter auch bei Dritten und nennen dies dann «ausleihen».

Um sich die Dimensionen vorstellen zu können hier einfach zwei Zahlen: Von den rund 780 Millionen chinesischen Smartphone-Nutzern bezahlen rund 580 Millionen über Mobile Payment. Dabei muss man beachten, dass der grösste Teil der Nutzer aus urbanen Gebieten kommt. Die Zahl wird sich massiv erhöhen, wenn auch das ländliche China entsprechend erschlossen wird.

Als Trends erwähnte Zheng Han folgende Punkte:

  • Kundenzentrierte Transaktionen: Die komplette Verschmelzung von On- und Offline. Oder wie es Jack Ma von Alibaba bezeichnet «New Retail».
  • Die allgegenwärtigen Influencer setzen verstärkt auf Kurzvideos.
  • Livestreaming (Homeshopping 2.0) erlebt einen zweiten Frühling.

Er wies aber auch darauf hin, dass die Dynamik derart hoch sei, dass Voraussagen extrem schwierig zu machen seien.

Den anwesenden Gästen gab Zheng Han den Rat, dass Schweizer ruhig auch mal etwas «ausleihen» sollten und vor allem den Mut haben zu machen, zu lernen und zu verbessern, statt die Perfektion zu planen.

Frederik Thomas

Marktplatz oder eigener E-Commerce-Auftritt?

Braucht heute ein Onlinehändler noch einen eigenen Webshop? Auch Fachleute sind sich nicht einig. Sind sie doch der Meinung, dass es genügend Alternativen dazu gibt. Seien es zum Beispiel Marktplätze, Social Selling oder Voice Commerce. Andere wieder argumentieren, dass ein Händler nur mit einem eigenen Webshop Markenbildung betreiben kann und nicht Drittanbietern ausgeliefert ist. Hinzukommt die Marge, die er an diese abgeben muss.

Der Onlinehandelsexperte Frederik Thomas ging auf das Pro und Kontra ein und gab Tipps, wie man für sich selbst die Rechnung machen muss und wo die Hürden liegen.

Präsenz auf Plattformen: ja oder nein? Zuerst muss die Marktplatz-Strategie definiert werden, die unabdingbar zur Vertriebs-Strategie gehört und daher nicht isoliert, sondern im Gesamtkontext betrachtet werden muss. Dann muss ein Entscheid über die Segmentierung getroffen werden: Welche Produkte aus dem Gesamtsortiment sollen auf Onlineplattformen angeboten werden und welche, expliziten Plattformen sollen es sein?

Wenn sich ein Händler dann auf eine Plattform wagt, so unterliegt er den dort herrschenden Regeln: Wird die Gebührenstruktur vom Plattformbetreiber angepasst, hat der Händler kaum Spielraum, sich dagegen zu wehren. Erfüllt der Händler seine Pflichten nicht, wird nicht lange gezögert und Sanktionen folgen. Hat der Händler ein Produkt, das sich hervorragend verkauft, kann der Plattformbetreiber dieses Produkt selber vertreiben und schnappt dem Händler die Marge weg. Der Händler fungiert also als eine Art Versuchskaninchen, der Plattformbetreiber kann gelassen seine Marktforschung betreiben: Was sich gut verkaufen lässt, wird entrissen – was liegenbleibt, interessiert den Plattformbetreiber nicht und tut ihm auch nicht weh.

Solange Händler aber keine Markenkommunikation betreiben, vorteilhafte Preise anbieten und sich das Unternehmen neuen Gegebenheiten rasch anpassen kann, spricht einiges dafür, auf Marktplätzen präsent zu sein. Gemäss Frederik Thomas überwiegen jedoch die Nachteile einer Plattformpräsenz.

Das Referat könnte auch als «Plädoyer für einen eigenen Onlineshop» beschrieben werden, wie es der Moderator Patrick Kessler vom VSV so schön nannte. Jedoch mit dem Hinweis, dass die hier dargelegte Betrachtung sehr schwarz/weiss ist.

Andreas Wüthrich / Sascha Bader

Dos und Don’t’s beim Aufbau eines Onlinehandels

Andreas Wüthrich der Schweizerischen Post und Sascha Bader von Ochsner Sport erzählten von ihrer Digitalisierungsreise und wie sie Ochsner Sport – den grössten Sport-Retailhändler der Schweiz – für den Onlinehandel und Omnichannel fit machten. Ihre fünf Tipps:

  1. Den Mut haben, die Konzeptphase zu verlassen und mit dem Machen beginnen. Man kann nicht alles im Voraus planen. Oft bringt eine Umsetzung mehr. Dann daraus lernen und verbessern.
  2. Nicht nur die Geschäftsleitung mit ins Boot holen. Ein aktives Stakeholder-Management zahlt sich aus. Für das Unternehmen ein Change-Management-Programm implementieren.
  3. Voraussetzungen schaffen, dass man ein agiles Vorgehen umsetzen kann. Die Beteiligten entsprechend schulen und unterstützen.
  4. Einen «Single Point of Truth» schaffen, was nichts anderes bedeutet als, die verschiedenen Datenquellen zu einer zu vereinigen.
  5. Nicht für heute, sondern für morgen oder übermorgen planen. Die Märkte und die Ansprüche der Kundinnen und Kunden verändern sich laufend.

Nicolas Mayencourt / Prof. Marc K. Peter

Cyberbedrohungen im digitalen Zeitalter

Im Netz herrscht Krieg. Oft sind wir uns dessen als normale Benutzer nicht bewusst. Waren es früher eher Grossfirmen die angegriffen wurden, stehen heute immer mehr auch KMU im Mittelpunkt von gezielten Attacken.

Nicolas Mayencourt und Prof. Dr. Marc K. Peter der DreamLab Technologies AG zeigten anhand von verschiedenen Szenarien auf, wie Angreifer vorgehen und sie stellten die Akteure vor. Und nein, es sind nicht mehr bleichgesichtige, pizzaessende Hoodieträger, die im Halbdunkeln ihre Arbeit verrichten. Wir haben es heute mit brillanten Köpfen zu tun, die international vernetzt sind und bis in die höchsten Regierungsstellen ihr Netzwerk spinnen. Marc K. Peter schätzt, dass rund eine Million Menschen im Cybercrime Business arbeiten.

Auch noch so gut geschützte Objekte können Opfer werden. Dabei nutzen die Angreifer oft einen Umweg über die Supply Chain. Man greift also nicht direkt an, sondern sucht einen Umweg, z. B. über den Bäcker, der die Gipfeli liefert und der dann mit seiner digitalen Rechnung auch gleich einen Trojaner mitliefert.

Auch in der doch recht hochgerüsteten Schweiz gibt es immer noch rund 42’000 bekannte und ungeschützte Systeme. Zurückzuführen ist dies unter anderem auf schlechte Wartung oder veraltete Hard- und Software.

Prof. Anna Jobin

Datenethik: Was steht auf dem Spiel?

Spätestens seit dem Skandal um Cambridge Analytica ist vielen bewusst, dass der ethische Umgang mit Daten uns alle etwas angeht. Prof. Anna Jobin von der ETH Zürich zeigte auf, warum es zunehmend wichtig ist, dass sich Firmen dazu bekennen, eine Datenethik zu definieren. Deshalb gab sie den Teilnehmenden entsprechende Impulse zur Umsetzung datenethischer Prinzipien. Fehlen diese, kann einem ein Missbrauch früher oder später einen teuer zu stehen kommen und es bleibt nur die Schadensbegrenzung. Zudem sind auch anonyme Daten sehr oft eben nicht anonym und lassen Rückschlüsse auf die Nutzer zu.

Die Einführung der DSGVO/GDPR hat dazu geführt, dass sich Nutzer zunehmend unsicher fühlen. Dies ganz einfach deshalb, weil ihnen mit der Verordnung bewusstwird, was mit Daten alles passiert.

Datenethik ist nicht nur wichtig, sondern dringend. Es muss schnell etwas passieren, meint Prof. Jobin. Dabei sind die folgenden Fragen zu beantworten. Welche Daten? Mit wem teilen? Zu welcher Gelegenheit? Zu welchem Zweck? Unter welchen Bedingungen?

Die Online Marketing Konferenz 2019 war ein hervorragender Jahrgang. Die meisten Referate vermochten zu überzeugen und die Gäste erhielten neue Impulse. Trotz des gedrängten Programms gab es genügend Möglichkeiten, sich zu vernetzen.

Auch 2020 wird es wieder eine Online Marketing Konferenz in Bern geben. Vorgesehen ist der 21. August 2020. Wir freuen uns heute schon darauf.

Markus Peter, Business Consultant, PostLogistics

Markus Peter arbeitet als Business Consultant Digital Commerce im Competence Center Digital Commerce bei der Schweizerischen Post. Zudem ist er als Dozent bei verschiedenen Fachhochschulen tätig.

Darija Dananic, Projektleiterin Marketing-Kommunikation, Post CH AG

Darija Dananic ist Projektleiterin Marketing-Kommunikation bei der Post CH AG. In dieser Funktion betreut sie unter anderem den Blog des Competence Center Digital Commerce und die Kommunikationsaktivitäten der Connecta Bern.

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