Die Vor- und Nachteile von Marktplätzen

Die Vor- und Nachteile von Marktplätzen

Marktplätze und Plattformen boomen. Schon allein wegen der Zuwachszahlen erscheinen sie für viele Händler attraktiv. Bevor aber die Entscheidung für den Eintritt auf einen Marktplatz getroffen wird, sollten auch potentielle Risiken und Nachteile betrachtet werden.

Der wohl grösste Vorteil von Online-Marktplätzen wie Galaxus, Amazon oder Ricardo liegt in ihrer enormen Reichweite. Galaxus umwirbt neue Partner mit dem Hinweis, dass die Plattform einen Traffic von 20 Mio. pro Monat erreicht. Welche Auswirkungen eine solche Reichweite entfalten kann, zeigt sich eindrucksvoll am Beispiel von Amazon. Die Kundschaft nutzt auf der Suche nach einem Produkt immer seltener eine konventionelle Suchmaschine. Um eine vergleichbare Bekanntheit und Reichweite mit eigenen Mitteln aufzubauen, müssten Handelsunternehmen gigantische Summen in das Marketing stecken – und doch bliebe der Erfolg fraglich. Über einen Marktplatz erreicht das Handelsunternehmen also augenscheinlich viele potentielle Kundinnen und Kunden, die aus eigener Kraft wahrscheinlich nicht gewonnen werden könnten.

Diesem offensichtlichen Vorteil steht indes auch ein grosser Nachteil gegenüber, nämlich die Austauschbarkeit der Händler auf der Plattform. Aus Sicht der Kunden kaufen diese beim Marktplatz ein; sie nehmen Amazon oder Galaxus als Verkäufer wahr. Die Kundinnen und Kunden interessiert in erster Linie das Produkt, dessen Preis und Verfügbarkeit, aber nicht, welcher Händler den Artikel eigentlich anbietet. Dieser Effekt verstärkt sich noch, wenn Zusatzservices, wie der Versand durch den Marktplatzbetreiber, genutzt werden. Der Händler tritt in den Hintergrund und wird damit austauschbar.

Auch eine dominierende Marktmacht eines Marktplatzes birgt eine Gefahr. So gibt es inzwischen zahlreiche Berichte, die Amazon ein teilweise hartes Vorgehen gegenüber den Marktplatzpartnern vorwerfen. Für diese ist Amazon aber oft zu wichtig, um sich einer Alternative zuzuwenden.

Nachfolgend sollen die wesentlichen Vor- und Nachteile von Marktplätzen stichpunktartig zusammengefasst werden.

Die folgenden Ausführungen basieren auf einer Checkliste für Schweizer Händler, welche die Swiss Retail Federation und der Chair for International Management der Universität Fribourg gemeinsam erarbeitet haben.

Vorteile von Marktplätzen für Händler

Allgemeine Vorteile

  • Zugriff auf die oft enorme Reichweite einer Plattform.
  • Zugang zu neuen Kunden (neue Regionen und/oder neue Zielgruppen), die der Händler bislang nicht bedient hat.
  • Umsatzsteigerung durch zusätzlichen Absatzkanal.
  • Mögliche Steigerung der eigenen Bekanntheit.
  • Optimierte Nutzung der eigenen Warenbestände.

Über einen Marktplatz verkaufen wir eher Basics, modische Sortimente laufen besser im eigenen Online-Shop.

Christian Sallmann, COO, ISA bodywear
  • Eine grössere Kundenzahl ermöglicht bessere Kundendaten und trägt zu einem verbesserten Kundenverständnis bei, unter der Voraussetzung, dass der Marktplatz diese Informationen auch mit dem Händler teilt.
  • Angebot an Zusatzleistungen wie die Zahlungsabwicklung.
  • Zugriff auf eine professionelle und aktuelle Online-Lösung und damit Features, die in Eigenregie nur mit hohen Kosten umsetzbar wäre (z. B. Apps und erfolgserprobte Customer Journeys).

Der Verkauf über einen Marktplatz hilft dabei, unseren Brand noch weiter zu verbreiten und er bietet uns einen weiteren Weg für die Präsenz beim Kunden.

Daniel Röthlin, Geschäftsleiter, Ex Libris

Besondere Vorteile für stationäre Händler

  • Es kann mit dem Online-Verkauf begonnen werden, ohne eigenen Webshop betreiben zu müssen. Das steigert die Sichtbarkeit, schafft Zugang zu Neukunden und reduziert die Kosten im Vergleich zur Entwicklung eines eigenen Shops.

Plattformen sind aber gerade für kleine Player eine gute Möglichkeit, online präsent zu sein.

Nicole Loeb, VR-Präsidentin Loeb, in Handelszeitung, 26.08.2021
  • Auch ein technisch ausgereifter eigener Online-Shop wird den Professionalisierungsgrad grosser Plattformen nicht erreichen.
    – Eine Plattform kann die Kundenfrequenz im Laden verbessern. So besteht die Option, die Plattform als Schaufenster zu nutzen, dort nur Teilsortimente zu verkaufen und die komplette Linie nur im eigenen Geschäft anzubieten. Umtausch oder Service werden nur im eigenen Laden offeriert. Zudem könnte der eigene Laden als Abholstation für die eigenen Bestellungen und auch die anderer Marktplatz-Teilnehmer eingesetzt werden («Click & Collect»).
  • Bessere Nutzung der lokalen Warenbestände, indem diese der Plattform zur Verfügung gestellt werden. Aus Sicht des Plattformbetreibers kann er schneller liefern, als dies über ein zentrales Lager der Fall wäre.

Wir differenzieren uns über unsere Dienstleistungen. Und diese Stärke können wir über einen externen Marktplatz nicht vermarkten.

Heinz Bösiger, Leiter Retail und E-Business, MeierTobler

Besondere Vorteile für Online-Shops

  • Die Gewinnung von Kunden auf der Plattform kann günstiger sein als über SEO/SEA.
  • Die Sichtbarkeit in Suchmaschinen wird erhöht, u.a. durch grössere Reichweite der Plattform. Die Plattform kann die Kundenfrequenz für den eigenen Online-Shop verbessern, sofern es gelingt eine Brücke zum eigenen Shop zu schlagen. Das lässt sich etwa damit erreichen, dass nur Teilsortimente über die Plattform verkauft werden, das vollständige Sortiment aber nur im eigenen Shop. Oder dort werden exklusiv besondere Dienstleistungen angeboten.
  • Betreiber von Online-Shops können schnell auf einer Plattform starten, da die notwendigen Prozesse bei ihnen bereits vorhanden sind (z. B. Produktdaten, Logistik).
  • Neben der eigenen Logistik besteht die Möglichkeit, die Logistik über den Plattformbetreiber abzuwickeln und etwa von einer größeren Liefergeschwindigkeit zu profitieren.

Über Galaxus sprechen wir eine andere Klientel an als über unseren eigenen Online-Shop.

Daniel Röthlin, Geschäftsleiter, Ex Libris

Nachteile von Marktplätzen für Händler

Den gerade erwähnten Vorteilen steht eine Reihe von Nachteilen gegenüber:

Allgemeine Nachteile

  • Austauschbarkeit: Händler sind auf einer Plattform meist austauschbar und können von anderen verdrängt werden.
  • Plattformen bieten meist kaum Optionen, das eigene Handelsunternehmen differenziert zu präsentieren. Es kann kein Markenerlebnis vermittelt werden.
  • Vollständige Transparenz: Auf der Plattform herrscht eine direkte Vergleichbarkeit der Preise. Dies führt zu einem hohen Preisdruck und somit zu teilweise sehr niedrigen Margen.
    – Dies kann auch dazu führen, dass sich der Preisdruck auf der Plattform auch auf das sonstige Geschäft auswirkt. So müssen die Händler dann im eigenen Shop oder sogar im Laden die gleichen Preise wie auf der Plattform verlangen, um Irritationen bei den Kunden zu vermeiden.

Wir müssen nicht über einen Marktplatz verkaufen, um weitere Kundengruppen zu erreichen. Alle Installateure in der Schweiz kennen uns und unsere Leistungen.

Heinz Bösiger, Leiter Retail und E-Business, MeierTobler
  • Es kommt zu einer Margenreduktion durch Gebühren und Provisionen.
  • Kein direkter Kundenzugang der Händler, den besitzt nur die Plattform.
  • Die Kunden befinden sich im Direkt-Marketing der Plattform. Dabei kann es sich auch um originäre Kunden des Händlers handeln. Somit entsteht eine Konkurrenz zum eigenen CRM und zu eigenen Loyalty-Programmen.
  • Die Plattform ist Partner und oft zugleich direkter Konkurrent des Händlers, weil sie auch als Eigenhändler agiert. Durch die Verkäufe des Händlers verbessert sich durch bessere Kundenkenntnisse die Situation des Plattformbetreibers.
  • Gefahr der Monopolisierung durch die Plattform. Durch die Gewinnung einer dominierenden Marktmacht (wie beispielsweise Amazon in Deutschland) besteht die Gefahr, dass langfristig andere Online-Händler und stationäre Händler verdrängt werden. Zudem können die Plattformen zunehmend die Regeln für die Händler verschärfen, etwa durch höhere Gebühren oder eine schlechtere Sichtbarkeit einzelne Händler, die sich in Konkurrenz mit dem Eigengeschäft der Plattform befinden.
  • Gefahr der Abhängigkeit von der Plattform, wenn die Umsatzanteile eines Anbieters über die Plattform permanent steigen.
  • Es besteht die Möglichkeit, Qualität beim Kundenservice einzubüssen, da die Einbindung eigener Angebote (z. B. Telefon, Webchat) in die Plattform kaum möglich ist.
  • Entsprechen die eigenen Leistungen (z. B. bei der Logistik) nicht den Ansprüchen der Plattform, können Händler von der Plattform ausgeschlossen werden.

Vieles lässt sich nur bedingt steuern, wie zum Beispiel das Ranking eines Produkts für Suchbegriffe. Zudem ist es nicht immer ganz einfach eine gemeinsame Sprache zu finden. Anders als Galaxus sind wir nicht komplett in der E-Commerce Welt unterwegs.

Thomas Huber, Bama Schweiz AG

Besondere Nachteile für stationäre Händler

  • Nutzt die Plattform den lokalen Warenbestand des Händlers, verliert der Händler dadurch einen wichtigen USP gegenüber den Plattformen.
  • USPs wie persönliche Beratung und ein emotionales Einkaufserlebnis gehen auf der Plattform verloren. Somit gibt es kaum Differenzierungsmöglichkeiten und keine Vorteile durch eine lokale Präsenz.
  • Die Umsatzverschiebung in den Online-Handel führt zu stärkerem Fixkostendruck im Geschäft. Dieser entsteht aber auch, wenn andere Online-Händler die Umsätze erzielen.
  • Die Händler müssen ausreichend Logistikkapazitäten aufbauen, um die Nachfrage des Marktplatzes zu bewältigen. Sind keine Infrastrukturen für Logistik vorhanden, müssen diese unter entsprechenden Investitionen aufgebaut werden.

Besondere Nachteile für Online-Shops

  • Ein Online-Händler stärkt mit seinen Sortimenten und Beständen einen Konkurrenten.
  • Es landen weitaus weniger Kundendaten beim Händler als bei einem Verkauf über den eigenen Shop.

Ein klarer Nachteil ist, dass wir beim Verkauf über den Marktplatz kaum Kundenkenntnisse gewinnen; letztlich erhalten wir nur den Namen und die Lieferadresse. Es braucht also auch den eigenen Online-Shop, um zu lernen.

Daniel Röthlin, Geschäftsleiter, Ex Libris
  • Es bestehen kaum Möglichkeiten für eine personalisierte Kundenansprache.
  • Die Möglichkeiten, sich gegenüber anderen Anbietern auf der Plattform zu profilieren, sind begrenzt.
  • Es besteht die Gefahr, dass Investitionen in den eigenen Shop zurückgefahren werden, oder dieser sogar zu kostenintensiv wird, wenn sich die Umsatzanteile über Plattform vergrössern.

Es gilt Abhängigkeit zu vermeiden

Jedes Unternehmen muss die gerade genannten Vor- und Nachteile für das eigene Geschäft abwägen. Dabei spielen u. a. die eigenen Kompetenzen, die Bekanntheit der Marke, Produktdaten, Prozesse und Kundendaten eine Rolle. Ausserdem sollten die eigenen Marketing- und Logistikkompetenzen geprüft werden.

Sehen die Voraussetzungen vielversprechend aus, sollten Händler und Hersteller versuchen, die diversen Kundengruppen auch über die Nutzung mehrerer Plattformen zu erreichen. Da die Marktplatzgebühren in der Regel an die Verkäufe gekoppelt sind, entstehen kaum Mehrkosten für das Unternehmen. Voraussetzung hierfür ist, dass Produkte, Produktdaten und Inhalte möglichst automatisiert und ohne grösseren Aufwand auf den verschiedenen Plattformen platziert werden können.

Empfehlenswert ist zudem, die Kommunikation mit den eigenen Kunden zu intensivieren und die Erkenntnisse aus dem Geschäft mit der Plattform auch zur Optimierung der eigenen Prozesse und Sortimente einsetzen.

Ein wichtiger Hinweis vieler Händler, die über Marktplätze verkaufen, lautet, die Abhängigkeit von einem Anbieter zu vermeiden. Mit einer Mehrfachstrategie ist dies einfacher, als nur über einen Marktplatz zu verkaufen.

Noch wichtiger scheint es, dass eigene Geschäft (stationär und/oder online) parallel zum Marktplatzgeschäft weiterzuentwickeln, um auch dort Umsatzwachstum zu erreichen. Nimmt ein einzelner Marktplatz nur einen relativ geringen Anteil an den Umsätzen ein, bleibt das Unternehmen in einer guten Verhandlungsposition: Es kann den Marktplatz ohne Risiko verlassen, wenn sich die Konditionen oder die Zusammenarbeit verschlechtert.

Zum nächsten Thema «Die Stärken und Schwächen der wichtigsten Marktplätze der Schweiz»

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