Zwei Models in Switcher-Kleidung sitzen vor grauem Hintergrund mit dem Rücken gegeneinander.

Nachgefragt: Switcher.ch Switcher: zurück mit klarer Vision
Nach dem Konkurs 2016 startet Switcher neu – seit 2019 wagt Marc Joss einen Neustart mit der Schweizer Traditionsmarke, immer noch mit qualitativen Basic-Produkten und nachhaltigem Anspruch. Geschäftsführer Marc erzählt, wie die Marke trotz Rückschlägen ihren Kern bewahrt hat und warum klare Haltung auch im Modemarkt wieder gefragt ist.
Marc, Switcher hat eine lange Geschichte. Erzähl doch mal, wie sich das Unternehmen über die Jahre entwickelt hat.
Switcher wurde bereits 1981 gegründet – mit einem Sortiment, das dem von heute gar nicht so unähnlich ist. Die Marke hat sich damals stetig weiterentwickelt und wuchs kontinuierlich. Ich selbst kam 2001 ins Unternehmen. Bis 2006 konnten wir ein konstantes Wachstum realisieren, bis zu einem Jahresumsatz von rund 100 Millionen Franken. Danach wurde es leider schwieriger für Switcher. Wir entfernten uns wohl zu weit von unseren Wurzeln, trafen Sortimentsentscheide, die nicht gut zu unserem Markt und Vertriebskonzept passten – das führte schliesslich 2016 zum Konkurs.
Seit 2019 bauen wir die Marke nun neu auf. Ich habe mich entschieden, mit unseren Partnern in Indien der Marke neues Leben einzuhauchen. Wir mussten aber buchstäblich bei null beginnen und der Weg seither war nicht immer einfach. Ich bin aber sehr zufrieden, wie weit wir seit dem Neustart gekommen sind.
Was macht Switcher heute wieder erfolgreich? Was funktioniert auch 40 Jahre später noch?
Unsere Produkte sprechen nach wie vor unsere Kernzielgruppen an. Das war früher so und ist heute nicht anders. Wir rennen nicht jedem Modetrend hinterher, sondern setzen auf Basics in hoher Qualität, die nachhaltig hergestellt werden. Unsere Hauptzielgruppe sind nicht die unter 25-Jährigen – und das ist völlig okay.
Aktuelle Entwicklungen im Fashion-Bereich kommen uns zudem entgegen. Heute sind weite Schnitte und hochwertige, unbedruckte Shirts gefragt. Dieses Feedback haben wir auch von Plattformen wie Zalando bekommen, wo wir unser Sortiment nun ebenfalls aufbauen.
Neu im Sortiment haben wir auch komplett labelfreie Produkte – besonders interessant für Events, Sponsorings oder im Merchandising-Bereich.
Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema bei euch. Wo habt ihr den grössten Hebel?
Die Modeindustrie verursacht nun mal viele Emissionen – das lässt sich nicht ganz vermeiden. Rohstoffe reisen um die Welt. Wir versuchen, diese Wege zu verkürzen, aber am Ende bleibt: Weniger Konsum wäre grundsätzlich der einzige Weg zu wirklich mehr Nachhaltigkeit.
Uns wird oft die Frage gestellt, warum wir nicht in Europa produzieren. Wir sind aber überzeugt, dass das nicht automatisch nachhaltiger wäre. Auch wenn in Europa genäht wird, stammen viele Materialien trotzdem aus Übersee. Wir setzen stattdessen auf faire und kontrollierte Bedingungen in Indien und möchten dort einen positiven Einfluss auf die lokale Gemeinschaft nehmen. Für uns ist Nachhaltigkeit kein Marketing-Feigenblatt, sondern etwas, das dort ansetzen muss, wo es wirklich Wirkung entfaltet.
Ihr setzt mit Kickbag wiederverwendbare Verpackungen ein. Wie läuft das? Was sagen eure Kundinnen und Kunden dazu?
Wir haben die wiederverwendbaren Verpackungen schrittweise in unsere Prozesse integriert. Das ist natürlich eine gewisse Umstellung, bringt aber auch spannende Erkenntnisse. Die Rückmeldungen unserer Kundinnen und Kunden sind durchwegs positiv. Viele finden die Idee sinnvoll und unterstützen sie gerne. Für uns ist das ein weiterer kleiner Schritt in Richtung mehr Nachhaltigkeit.
Wir sind auch zufrieden, wieviel Kickbags wir von unseren Kundinnen und Kunden zurückbekommen. Das hat mich echt positiv überrascht.

Viele sprechen davon, dass Nachhaltigkeit an Bedeutung verliert – siehst du das auch so?
Das Thema steht momentan tatsächlich etwas weniger im Fokus. Aber ich finde: Nachhaltigkeit hat noch nie wirklich verkauft. Wer seine Produkte nicht verkauft, hat nicht zwingend das falsche Thema, sondern vielleicht das falsche Produkt – oder macht etwas anderes nicht richtig.
Wir hatten zum Beispiel 2003 eine erste Biobaumwoll-Kollektion in der Schweiz und waren damit echte Pioniere. Die Reaktionen darauf waren erstaunlich zurückhaltend. Wir hatten einen Schub erwartet, der aber ausblieb. Vielleicht ist es heute auch so, dass das Geld in vielen Haushalten einfach nicht mehr reicht und entsprechend weniger konsumiert wird. Für uns war Nachhaltigkeit immer ein wichtiges Thema – aber nie das zentrale Verkaufsargument.
Ein anderes grosses Thema ist die Flut an günstiger Kleidung von Plattformen wie Temu oder Shein. Wie schätzt du diese Entwicklung ein?
Aus meiner Sicht ist das ein riesiges Problem – in mehrfacher Hinsicht. Diese Plattformen liefern mehrheitlich per Luftfracht, was ökologisch verheerend ist. Gleichzeitig beobachten wir einen Überkonsum: Viele Artikel werden bestellt, obwohl sie gar nicht wirklich gebraucht werden. Manche bestellen gleich mehrere Varianten, weil sie unsicher sind, was die Qualität betrifft – bei den Preisen ist das schnell gemacht. Überzähliges wird dann einfach weggeworfen.
Hinzu kommt die Problematik rund um Marken- und Patentrechte, die regelmässig verletzt werden. Diese Entwicklungen schaden der Wirtschaft in vielerlei Hinsicht.
Wo seid ihr aktuell mit euren Produkten präsent? Wie sieht euer Vertriebsmix aus?
Unser Fokus liegt klar auf dem eigenen Onlineshop – der direkte Kontakt zur Kundschaft ist uns wichtig. Plattformen wie Zalando oder Galaxus sind für uns aber eine gute Ergänzung, weil sie eine zusätzliche Reichweite ermöglichen. Wir wollen aber unabhängig bleiben und uns nicht komplett ausliefern.
Zudem interessiert es uns, auch wieder stärker im stationären Handel präsent zu sein. Falls unter den Leserinnen und Lesern dieses Beitrags Retailer sind, die sich das vorstellen können: Meldet euch gerne bei mir.
Social Commerce ist auf dem Vormarsch. Wäre ein direkter Verkauf über TikTok ein Thema für euch?
Ich kann mir das durchaus vorstellen. Klar, wir sind nicht in Asien, wo diese Kanäle ganz anders funktionieren. Die Nutzung von Apps wie TikTok ist bei uns fragmentierter. Aber es ist eine Entwicklung, die ich sicher nicht ignorieren möchte.
Unsere Zielgruppe ist dort nicht im Kern vertreten, aber wir würden testen. TikTok wird unterschätzt. Viele Ads dort sind noch nicht optimal umgesetzt, aber das Verkaufspotenzial ist definitiv da. Es gibt mittlerweile einige spannende Beispiele, wie sich Marken mit Basic-Produkten über Social Media etablieren konnten.
Ein letztes Thema, das wir nicht auslassen können: Künstliche Intelligenz. Wie stark beschäftigt ihr euch damit?
KI ist für uns definitiv ein Thema – vor allem im Bereich Bildbearbeitung. Auch im Kundendienst sehen wir Potenzial, etwa mit Agents, um gewisse Abläufe zu automatisieren.
In der Produktentwicklung werden die Tools ebenfalls besser. Zum Beispiel bei Übersetzungen oder in der Marktanalyse. Wir nutzen bereits Tools, die uns helfen, Konkurrenzdaten auszuwerten oder Saisontrends zu identifizieren – etwas, das manuell sehr aufwendig wäre.
Meine Sorge ist, dass durch die KI ein gewisser Einheitsbrei entstehen könnte, wenn alle mit denselben Grundlagen arbeiten. Aber genutzt mit Augenmass, kann sie ein starkes Hilfsmittel sein.