«Digital Detox» bei jungen Schweizern

Mann auf einer Bank mit einem Laptop

Mann auf einer Bank mit einem Laptop

«Digital Detox» bei jungen Schweizern

Publiziert am 16.01.2025 von Ewald Bierbaum, Doktorand HSG, und Prof. Dr. Thomas Rudolph, Direktor IRM-HSG

Über viele Jahre hinweg stieg die Internetnutzung bei den unter 25-Jährigen kontinuierlich an. Die junge Generation, häufig auch als «always online» bezeichnet, ist bekannt für ihre intensive Nutzung des Internets und digitaler Plattformen. Für sie ist das Internet nicht nur ein Informationskanal, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil des Alltags, ein Fenster zur Welt, ein Mittel zur Selbstdarstellung und ein Ort für soziale Vernetzung.

Die Vorstellung, dass diese Altersgruppe immer mehr Zeit online verbringt, schien fast schon ein Naturgesetz der digitalen Ära zu sein. Doch nun zeigt sich ein überraschender Trend: Die Zahlen, die uns aus der jüngsten Erhebung vorliegen, deuten erstmals einen Rückgang an.

Die Generation unter 25 Jahren war und ist für viele «Marketers» eine wichtige Zielgruppe. Diese Altersgruppe gilt als besonders affin für neue Trends und Technologien. Ihre Vorliebe für soziale Kanäle und die hohe Interaktionsbereitschaft machen sie zu einem attraktiven, wenn auch anspruchsvollen Publikum.

Ein gutes Beispiel für ein Unternehmen, das erfolgreich junge Leute im Internet anspricht, ist About You. Bei About You ist die Smartphone-App nicht nur der wichtigste Vertriebskanal – 75 Prozent des Umsatzes werden darüber generiert – sondern dieser ist auch eng mit den Influencer-Massnahmen auf Social Media Plattformen verknüpft (MediaEconomics, 2021). Beim Scrollen auf Social Media Plattformen entdecken die jungen Nutzerinnen und Nutzer die Produkte bei ihren Lieblingsinfluencerinnen und -influencern und können diese später bequem in der App kaufen. Auch für Nike ist Social Media ein zentraler Marketingkanal. Das Unternehmen setzt besonders auf Social Media, um Produkte zu bewerben, Geschichten von Athletinnen und Athleten zu teilen und eine ganze Community rund um Sport und Fitness aufzubauen. Muss die Fokussierung auf Social Media überdacht werden, wenn unter 25-Jährige weniger Zeit im Internet verbringen?

Studie und Auswertung

Um diese Frage zu beantworten haben wir im Forschungszentrum für Handelsmanagement der Universität St. Gallen über 1.300 Schweizerinnen und Schweizer zu ihrem Internetnutzungsverhalten befragt. Eine der zentralen Fragen lautete: «Wie oft greifen Sie auf das Internet zu?» (Abbildung 1). Bei den unter 25-Jährigen zeigte sich im Jahr 2021, dass 50 Prozent das Internet stündlich nutzen. Im Jahr 2024 ist dieser Anteil auf 46 Prozent gesunken. Auch bei den älteren Altersgruppen sank die stündliche Internetnutzung um durchschnittlich ein bis zwei Prozentpunkte.

Bei der Frage, wie viele Stunden pro Tag das Internet für Freizeitaktivitäten genutzt wird, waren die unter 25-Jährigen, die einzige Altersgruppe, die einen Rückgang in der durchschnittlichen täglichen Nutzungsdauer verzeichnet (Abbildung 2). 2021 verbrachten sie noch durchschnittlich 4,31 Stunden pro Tag im Internet, während dieser Wert 2024 auf 4,23 Stunden sank.

Andere Studien bestätigen diesen Trend: Auch die ARD/ZDF-Langzeitstudie zeigt einen Rückgang der Internetnutzung bei der jüngeren Generation. Im Jahr 2023 lag die Mediennutzungsdauer im Internet bei 5,93 Stunden, während sie 2024 auf 5,62 Stunden sank (ARD, 2024). Die Mediennutzungsdauer umfasst dabei die im Internet verbrachte Zeit mit Video-, Audio- und Textinhalten.

Häufigkeit der Internetnutzung im Jahresvergleich und nach Altersgruppen

Häufigkeit der Internetnutzung
Abbildung 1: Häufigkeit der Internetnutzung im Jahresvergleich und nach Altersgruppen

Dauer der Internetnutzung in der Freizeit im Jahresvergleich und nach Altersgruppen

Dauer der Internetnutzung in der Freizeit
Abbildung 2: Dauer der Internetnutzung in der Freizeit im Jahresvergleich und nach Altersgruppen

«Digital Detox»

Warum verbringt die jüngere Generation plötzlich weniger Zeit im Internet? Die Gründe hierfür sind vielfältig: Zum einen scheinen immer mehr junge Menschen die schädlichen Auswirkungen exzessiver Smartphone-Nutzung auf ihre physische und psychische Gesundheit zu erkennen und beginnen, ihren Konsum bewusst zu reduzieren (ZDF, 2024). Viele betreiben «Digital Detox» und versuchen, sich schrittweise von ihrer Abhängigkeit zu lösen.

Parallel dazu zeichnet sich zum anderen ein Trend zur Nutzung sogenannter «Dumbphones» bei der jungen Generation ab (Tages-Anzeiger, 2024). Diese Geräte sind ältere Handymodelle ohne Apps wie Instagram, Facebook, TikTok oder YouTube, die lediglich Telefonie und SMS-Kommunikation ermöglichen. Viele junge Menschen schätzen die Ruhe, die diese Geräte bieten, und möchten den ständigen Ablenkungen und Abhängigkeiten, die moderne Smartphones mit sich bringen, entkommen.

Ein weiterer Grund für den Rückgang der Internetnutzung könnte jedoch ganz anderer Natur sein: Vielleicht hat die tägliche Nutzungszeit bei den unter 25-Jährigen einfach ihren Höhepunkt überschritten und der Rückgang war unausweichlich.

Handlungsempfehlungen

Zunächst bewerten wir den Rückgang der Internetnutzung bei den unter 25-Jährigen als positive Entwicklung. Offensichtlich erkennen mehr junge Menschen die psychischen und physischen Folgen übermässiger Internetnutzung und reagieren darauf, indem sie ihre Nutzungszeit bewusst reduzieren.

Wir empfehlen, die sinkende Nutzung des Internets der unter 25-Jährigen in deren Freizeit genau zu beobachten. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, so müssen die Marketingverantwortlichen in vielen Unternehmen ihre heute eher einseitig ausgerichteten Marketingaktivitäten um nicht-digitale Kommunikationskanäle ergänzen. Momentan sehen wir dazu jedoch (noch) keine Notwendigkeit. Denn obwohl deren Nutzungsdauer sinkt, verbringen unter 25-Jährige – nach den 25- bis 34-Jährigen – immer noch sehr viel Freizeit im Internet.

Schliesslich sollten Marketingverantwortliche Ihre Kampagnen und Anstrengungen stärker auf ältere Zielgruppen ausrichten. Während die unter 25-Jährigen ihre Internetzeit reduzieren, zeigt sich bei den 25- bis 34-Jährigen ein erstaunlicher Anstieg der Nutzung – von 3,62 auf 4,49 Stunden. Auch die Altersgruppen der 35- bis 54-Jährigen und über 55-Jährigen verbringen zunehmend mehr Zeit online, mit einem Anstieg von 3,33 auf 3,6 Stunden beziehungsweise von 2,86 auf 3,02 Stunden. Dies verdeutlicht, dass ältere Altersgruppen immer mehr Freizeit im Internet verbringen. Da entstehen interessierte und einkommensstarke Zielgruppen für das Online- und Social-Media-Marketing der Zukunft.

Quellen

Ewald Bierbaum

Ewald Bierbaum ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Forschungszentrum für Handelsmanagement der Universität St. Gallen.

Ewald Bierbaum

Prof. Dr. Thomas Rudolph

Prof. Dr. Thomas Rudolph ist Professor für Marketing und Internationales Handelsmanagement und Direktor des Forschungszentrums für Handelsmanagement (IRM-HSG). Er ist Inhaber des Gottlieb Duttweiler Lehrstuhls für Internationales Handelsmanagement, Leiter des Retail-Lab sowie Mitherausgeber der Marketing Review St. Gallen.

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