Wecker neben einem Glas ausgeleerter Münzen / Schriftzug «Tax 2025» auf Würfeln in der Mitte
Plattformbesteuerung – Teil 1 Neue MWST-Regeln im Online-Handel ab 01.01.2025
Die Plattformbesteuerung ist eines der Kernelemente der Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes (MWSTG), die am 01.01.2025 in Kraft tritt. Sie stellt in- und ausländische Onlinehändlerinnen und Onlinehändler sowie die Plattformen vor grosse Herausforderungen bei der korrekten Umsetzung. Die Zeit für die systemtechnische Umsetzung ist knapp. Nun liegen die Praxisanweisungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung als überarbeiteter Entwurf vor.
In unserem ersten Beitrag dazu erfahren Sie, was hinter der Plattformbesteuerung steckt, warum diese eingeführt wird und welche Plattformen davon betroffen sind. Am 12.12.2024 gehen wir vertieft auf die Auswirkungen für die Händler ein.
Welche Idee steht hinter der Plattformbesteuerung? Warum wird sie eingeführt?
Ziel ist es, alle Warenlieferungen an Kundinnen und Kunden in der Schweiz mit der Mehrwertsteuer zu belasten. Besteuerungslücken, die sich aus der Regelung ergeben, dass Importe von Kleinsendungen von der Einfuhr-MWST befreit sind, wenn die Einfuhr-MWST fünf Franken nicht übersteigt[1], sollen geschlossen werden. Diese Besteuerungslücken werden heute in grossem Umfang von ausländischen Versandhandelsunternehmen ausgenutzt.
Die Einfuhrsteuer-Freigrenze soll aber nicht abgeschafft werden. Auch bleibt die Umsatzgrenze von 100’000 Franken bestehen. Händlerinnen und Händler mit weltweiten Umsätzen bzw. Umsätzen aus Kleinsendungen bis zu dieser Grenze sind von der MWST-Registrierungspflicht befreit.
Neu werden Lieferungen über Onlineplattformen mehrwertsteuertechnisch der Plattform als Leistungserbringerin zugerechnet. Die Plattform wird so behandelt, als ob sie die Waren von den Händlerinnen und Händlern erwirbt und weiterverkauft. Dadurch wird die Plattform verpflichtet, die MWST für diese Onlinelieferungen einzubehalten und mit der Eidgenössischen Steuerverwaltung abzurechnen. Bei Einfuhren im Zusammenhang mit Onlinegeschäften muss die Plattform zudem prüfen, ob sie als Importeurin auftreten muss.
Durch die Bündelung bzw. das Zusammenrechnen der MWST-relevanten Geschäfte auf Ebene der Plattform wird die Umsatzgrenze von CHF 100’000 in der Regel überschritten, d. h. alle Lieferungen über die Plattformen im und in das Inland können somit besteuert werden. Zudem führt die MWST-Registrierung von grossen Marktplayern wie Plattformen zu einem geringeren Aufwand bei der Steuererhebung als die MWST-Registrierung einer grossen Zahl ausländischer Händlerinnen und Händler.
[ 1 ] ↑ Vgl. Art. 1 lit. d der Verordnung des EFD vom 2. April 2014 über die steuerbefreite Einfuhr von Gegenständen in kleinen Mengen, von unbedeutendem Wert oder mit geringfügigem Steuerbetrag.Der Einfuhrsteuerwert von CHF 5 entspricht einer Lieferung mit einem Warenwert von CHF 62 bei Gegenständen, die dem Steuersatz von 8,1% unterliegen, respektive CHF 193 bei einem Steuersatz von 2,6%.
Für welche Plattformen kommt diese Regelung zum Tragen und für welche nicht?
Aufgrund der Ziele der Plattformbesteuerung könnte man meinen, nur ausländische Plattformen seien von der neuen Regelung betroffen. Die neue Plattformbesteuerung gilt aber für inländische und ausländische Plattformen.
Die Definition der Plattform in Art. 3 Bst. d Ziff. 1 rev. MWSTG ist sehr weit. Plattformen sind «elektronische Schnittstelle[n], die online direkten Kontakt zwischen mehreren Personen ermöglichen mit dem Ziel, eine Lieferung oder Dienstleistung zu erbringen».
Nicht unter die neue Plattformbesteuerung fallen reine Anzeige-, Werbe- oder Angebotsvergleichsplattformen. Ebenso unterliegen Gratismarktplätze oder Plattformen, die nur das Inkasso bzw. die Regulierung von Lieferantenforderungen vornehmen, nicht der Plattformbesteuerung.
Zusammengefasst sind nur dann Plattformen von der Regelung betroffen, wenn auf ihnen ein Kaufvertrag abgeschlossen wird, die Zahlung des Kaufpreises über sie abgewickelt wird bzw. sie in der Lage sind, die MWST einzubehalten, die Plattform eine Auftragsbestätigung oder Rechnung erstellt und weiss, ob die Gegenstände tatsächlich geliefert wurden.
Mit anderen Worten: Ein Klick auf «Kaufen» bzw. «Bestellen» auf einer in eigenem Namen auftretenden Plattform, mit dem die wesentlichen Inhalte eines Kaufvertrags wie die Art der Ware und die Höhe des Kaufpreises bestätigt werden, führt zur Plattformbesteuerung.
Beispiel
Ein Unternehmen entwickelt eine Onlineshop-App bzw. technische Lösungen für Plattformhosting, Lagerabwicklung, Invoicing und Zahlungsabwicklung sowie Statistiktools an. Es stellt diese technische Lösung Onlinehändlern zur Verfügung. Die Händlerinnen und Händler betreiben ihren Onlineshop im eigenen Namen. Sofern die Plattform nicht nach aussen erkennbar im Rahmen der Verkaufsvorgänge auftritt, findet die Plattformbesteuerung keine Anwendung.
Tritt das Unternehmen jedoch mit der technischen Lösung als Plattform «Happy-Buy» am Markt auf und die Kundinnen und Kunden können direkt bei «Happy-Buy» durch einen Klick eine Lieferung des Lieferanten Meier auslösen, gilt es als Plattform im Sinne der neuen Regelung.
Welche Geschäfte über Plattformen sind betroffen?
Die Plattformbesteuerung nach Art. 20a rev. MWSTG findet nur bei reinen Warenlieferungen Anwendung. Nicht anwendbar ist sie auf andere Liefertatbestände im MWST-Sinn (z. B. Vermietung oder Arbeiten an Gegenständen) und ebenso nicht bei Dienstleistungen (wie z. B. Plattformen für Beförderungsleistungen oder Streaming).
Es ist unerheblich, von wem und an wen geliefert wird. Die neue Regelungen gilt damit bei B2B-, B2C-, C2B- und C2C-Geschäften! So sind z. B. auch inländische Food-Delivery- oder Second-Hand-Plattformen betroffen. Zudem besteht keine Einschränkung auf Importe von Kleinsendungen, sondern die Regelung erstreckt sich ebenso auf inländische Lieferungen oder Exporte.