Ein gutes Geschäft für Onlinehändler?

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Retail Media Ein gutes Geschäft für Onlinehändler?

Publiziert am 29.08.2023 von Philippe Mettler, Digital Commerce Consultant, Post CH AG

In den vergangenen Jahren hat das Thema Retail Media stark an Relevanz gewonnen. Dabei ist das Thema streng genommen gar nicht so neu. Welche Erwartungen sind an diese Werbeform gebunden?

Markenhersteller im eigenen Angebot prominenter zu präsentieren, das ist wahrlich nichts Neues. In Form des «Werbekostenzuschusses» gibt es im Handel seit Jahrzehnten bereits ein Instrument, das heute wohl unter dem Sammelbegriff Retail Media zusammengefasst würde. Und auch online ist die Vermarktung von Werbeflächen nicht mehr ganz so neu, wie es scheint. Amazon fing damit bereits 2012 an. Zehn Jahre später verdiente der Konzern bereits über 30 Milliarden Dollar mit Anzeigen auf seiner Plattform. Glaubt man einschlägigen Prognosen von Media-Agenturen, dann zählt Werbung direkt in Online-Shops – aber auch am POS im stationären Handel – zu einer der am stärksten wachsenden Werbeformen.

Die «Grossen» sind alle schon dabei

Treiber in diesem Bereich sind die grossen internationalen Plattformen – allen voran Amazon. Unter den grösseren Händlern ist kaum ein Unternehmen, das sich inzwischen nicht dem Thema zugewandt hat. Das gilt auch für die Schweiz, wenn auch noch in reduzierter Form, wie man beispielsweise bei Brack und Digitec sieht. Das Thema gewinnt jedoch stetig an Relevanz, da immer mehr Produktsuchen nicht mehr bei Suchmaschinen beginnen, sondern auf den grossen Plattformen.

Unübersichtliches Angebot

Die bei interessierten Händlern, Werbetreibenden und auch der Kundschaft bekannteste Form von Retail Media sind sicherlich «Sponsored Listings» und «Promotion-Anzeigen» direkt auf den Seiten eines Onlineshops oder in den Ergebnislisten nach der Suche eines Produkts.

Doch ist der Markt inzwischen deutlich unübersichtlicher. Etablierte Handelsunternehmen verfügen über eine ganze Reihe von Kanälen, die sie für Werbezwecke nutzen können:

  • Website
  • Shop
  • (Loyalty) App
  • Mailings und Newsletter
  • Stores
  • Social Media

Entsprechend gross ist auch das Angebot an Werbeformaten geworden. Dazu zählen u. a.:

  • Display Ads, also das klassische Werbebanner
  • Brand Pages, also monothematische Seiten, die sich dem Angebot eines Herstellers widmen (oder auch eines anderen Handelsunternehmens, wenn der Vermarkter einen Marktplatz initiiert hat)
  • Sponsored Listings oder Ads direkt im Umfeld von Produktsuchen oder innerhalb von Kategorien
  • Incentives, wie Preisersparnisse bei zusätzlichen Diensten oder Rabatte beim Kauf von Produkten
  • Paketbeileger
  • Newsletter-Integration
  • Promotion-Briefe an Kundschaft
  • Display-Werbung direkt am Store

Diese Vielfalt macht deutlich: Schon lange geht es bei Retail Media nicht mehr nur darum, die eigenen Umsätze innerhalb einer Produktkategorie oder im Shop anzukurbeln. Die Handelsunternehmen verstehen sich mehr und mehr als Werbevermarkter, die ihren Kundenzugang auch anderen Unternehmen öffnen und wie Medienunternehmen agieren.

Es wird aber auch deutlich, dass die Hürden für den Einstieg in das Thema Retail Media für Handelsunternehmen, die Werbung vermarkten wollen, sowohl technisch als auch organisatorisch höher geworden sind. Denn schliesslich wollen die Werbetreibenden nicht nur Anzeigen schalten, sondern auch deren Erfolg messen können. Und das wird je nach Kanal und Menge der Werbung zu einer anspruchsvollen Angelegenheit.

Werbung: Ja, oder nein?

Eine Prognose sah für dieses Jahr voraus, dass weltweit ein zweistelliger Umsatzanteil des Handels im E-Commerce bereits aus Retail Media stammen soll.

Aber bei aller Euphorie sollte nicht vergessen gehen, dass Werbung innerhalb des eigenen Shops oder – allgemeiner – in den eigenen Kundenkanälen auch Risiken mit sich bringt.

Zwar verfügen Handelsunternehmen über umfangreiche Daten über ihre Kundschaft und können so sehr zielgenau Werbung ausspielen, aber die zusätzliche Einnahmequelle birgt auch gewisse Risiken.

  • Akzeptanz bei der Kundschaft und den Herstellern: Gerade bei langjährigen Zulieferern oder Handelspartnern besteht die Gefahr, dass diese den Gedanken ablehnen, auf der Plattform Werbung zu schalten. Es besteht aus Sicht der Marken natürlich das Risiko, dass es hier zu einem Bietergefecht im Hinblick auf die Sichtbarkeit kommt. Und auch Kundinnen und Kunden können irritiert reagieren, wenn ihnen plötzlich Werbeformate begegnen.
  • Abnutzungseffekte: Beim Auspacken fallen gleich mehrere Beileger aus dem Paket heraus. Das wirkt eher lieblos und hat meist gar nichts mit den Interessen der Kundschaft zu tun. Der Kanal kann sich also schnell abnutzen. Der Beileger verkommt zum Füllmaterial.
  • Glaubwürdigkeit: Das ist sicherlich das am schwersten wiegende Argument gegen die Schaffung eines Retail-Media-Angebots. Und letztlich auch der Grund dafür, wenn sich Händler bewusst dagegen entscheiden. Wer in seinen Shops stark auf den Gedanken einer Community setzt oder erfolgreich in seinem Segment eine solche aufgebaut hat, sollte besonders vorsichtig agieren. Und im Zweifel von Planungen lieber Abstand nehmen. Denn unabhängige Testberichte oder anderer redaktioneller Content, der die Kundschaft informiert, aber auch zum Kauf anregen soll, verlieren fast zwangsläufig ihre Glaubwürdigkeit, wenn Werbung ins Spiel kommt.

Insgesamt bietet Retail Media also sowohl Chancen als auch Risiken. Auf der Habenseite stehen gezielte Kundenansprache, Sichtbarkeit und zusätzliche Einnahmemöglichkeiten. Demgegenüber steht das Risiko der Akzeptanz und der Verlust der Glaubwürdigkeit. Handelsunternehmen, die sich dem Thema öffnen wollen, müssen versuchen, die Balance zwischen Werbung und positiver Nutzererfahrung zu finden. Wichtig ist dabei auch, transparent über das Angebot der Werbung zu informieren.

Philippe Mettler, Digital Commerce Consultant, Post CH AG

Philippe Mettler verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung und Projektumsetzung, insbesondere in den Bereichen E-Commerce, Web und PIM. Er besitzt umfangreiche praktische Kenntnisse mit Kunden aus verschiedensten Branchen. Mit diesem Wissen hilft er unseren Kunden sich im digitalen Reifegrad weiter zu entwickeln und erfolgreich im Digital Commerce zu agieren.

Portrait Philippe Mettler

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