Wie Händler ihre Preise durchsetzen

Frau beim Kleider kaufen

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Pricing Wie Händler ihre Preise durchsetzen

Publiziert am 23.08.2022 von Stephan Lamprecht, Journalist

Das Internet hat für eine umfassende Preistransparenz gesorgt. Zumindest überall dort, wo an private Kundinnen und Kunden verkauft wird. Viele Handelsunternehmen haben deshalb Schwierigkeiten damit, höhere Preise durchzusetzen. Wie es trotzdem gelingt, verrät dieser Artikel.

Handelsunternehmen, die sich mit ihrem Angebot an private Konsumentinnen und Konsumenten richten, werden wahrscheinlich neidvoll auf den B2B-Bereich schauen. Hier herrscht oftmals deutlich weniger Wettbewerb und die Firmenkundschaft ist es gewohnt, sich nach tagesaktuellen Preisen zu erkundigen, die aber vorher öffentlich kaum einsehbar sind.

Preissuchmaschinen, Google Shopping, Marktplätze wie Amazon: Es gibt für private Konsumentinnen und Konsumenten unzählige Möglichkeiten, Preise zu vergleichen. Ist es überhaupt sinnvoll, sich angesichts einer sich weltweit eintrübenden Konjunktur darüber Gedanken zu machen, die Preise zu erhöhen? Diktiert nicht der Wettbewerb den Preis?

Preise haben viel mit Emotionen zu tun

Welchen Preis die Kundschaft für eine Sache akzeptiert, hat viel mit der Vorstellung davon zu tun, was eine Sache «wert» ist. Die gleichen Kundinnen und Kunden, die sich im Supermarkt über den Preis für ein Stück Butter oder einen Liter Milch aufregen, sind wenig später bereit, viele hundert Franken für eine schicke Uhr eines Markenherstellers auszugeben. Und ginge es allein um die Zahlen, dürften die meisten Menschen ihren morgendlichen Kaffee entweder zu Hause oder in der Bäckerei um die Ecke trinken, nicht aber bei Starbucks.

Es geht also um Psychologie und das bietet Gestaltungsspielräume. Diesem Thema widmet sich auch intensiv die Wissenschaft der Wirtschaftspsychologie. Wer bei Google einmal nach «Behavioural Pricing» sucht, wird auf unzählige Studien zum Thema stossen. Nicht jede Erkenntnis daraus lässt sich auch auf jedes Segment und jeden Shop übertragen. Wer lediglich Waren des täglichen Bedarfs verkauft, die ohnehin über wenig Marge verfügen, wird es schwer haben, sich mit höheren Preisen gegenüber der Konkurrenz durchzusetzen. In allen anderen Bereichen kann der eine oder andere Trick zum Ziel führen.

Sechs Tipps für höhere Preise

Generell müssen Händlerinnen und Händler ihre Preise kennen, also die notwendige betriebswirtschaftliche Kalkulation solide durchgeführt haben. Wer sich etwa auf Systeme für automatisierte Preisanpassungen auf Marktplätzen verlässt, erlebt sonst unliebsame Überraschungen. Ausgehend von dem errechneten Mindestpreis bieten sich einige Optionen, die Kundinnen und Kunden zu «überlisten».

1. Preise herunterbrechen

Tausend Franken für ein Plissee im Wohnzimmer? Das schreckt ab. Der Kundschaft fällt es viel leichter, dieses Geld in die Hand zu nehmen, wenn der Händler damit argumentiert, dass «Privatsphäre und Sonnenschutz wichtig und für gerade einmal X Franken pro Tag erschwinglich» sind. Der Preis bleibt gleich, wird aber über die voraussichtliche Nutzungsdauer heruntergerechnet.

2. Schluss mit Gratis!

Viele Händlerinnen und Händler nutzen das Instrument der Produktbundles, um den direkten Preisvergleich zu erschweren. Das ist eine gute Strategie, die aber oft falsch umgesetzt wird. Wer damit wirbt, dass es noch Dinge «gratis» dazu gibt, entwertet die Zugaben und schmälert den Nutzen des Bundles. Besser ist es, Gratisprodukte und Dienstleistungen ebenfalls mit einem Preis zu versehen. Die Botschaft lautet also: «Sie erhalten noch X im Wert von X Franken dazu». Je höher die Differenz ist, die zwischen dem rechnerischen Wert und dem Preis, der durchgesetzt werden soll, besteht, umso besser.

3. Die 100er-Regel – zu selten eingesetzt

Apropos Nachlässe: Sparen will ja jeder. Aber wie kommuniziert der Handel einen Nachlass möglichst geschickt? Dazu kennt die Psychologie die 100er-Regel. Bei Beträgen unter 100 Franken führen Prozentangaben zum Ziel. Bei höheren Werten dann absolute Zahlen. Bei einem Produkt für 300 Franken klingt ein Nachlass von 60 Franken deutlich attraktiver als einer von 20 Prozent. Bei 9.90 Franken klingen 20 Prozent dagegen nach viel mehr als die rund zwei Franken.

4. Futter für Preisvergleiche bieten

Die Kundschaft interessiert sich für ein Notebook eines bestimmten Herstellers: Wie gelingt es dem Händler nun, ein anderes Modell zu einem aus seiner Sicht viel lohnenswerteren Preis zu verkaufen? Indem er den Preisvergleich auf seiner Seite durchführen lässt.

Nehmen wir mal an, dass der marktgängige Preis, mit dem das Handelsunternehmen auch im Internet vertreten ist, bei 995 Franken liegt. Nach dem Klick landet die Kundschaft dann auf der Seite, mit anderen Geräten des gleichen Herstellers. Hier spielt das gesuchte Modell aber nicht die Hauptrolle, sondern es werden die Alternativen an den Anfang und in den Mittelpunkt gestellt: z. B. «Für nur 200 Franken mehr erhalten Sie ein Plus an…» oder «Unsere Empfehlung für Power-User ist…». Der Preisvergleich findet jetzt nicht mehr zwischen zwei Konkurrenten statt. Die Kundschaft hat die 995 Franken ja bereits akzeptiert. Jetzt geht es nur noch um die Entscheidung über 200 Franken, obwohl bei der direkten Suche der Preisunterschied über eine Suchmaschine nur bei 100 Franken gelegen hätte.

5. Abschlag statt Aufschlag

Was hat eigentlich zum weltweiten Erfolg von Ikea beigetragen? Zum einen natürlich das Design, das im Vergleich zu dem, was in klassischen Möbelhäusern stand, neu und anders war. Zum Erfolgsrezept gehört allerdings auch das Versprechen, dass die Möbel viel mehr kosten müssten, wenn die Kundschaft sie nicht selbst aufbauen würde. Was sie sicherlich nicht müssten, denn auch die Möbel aus dem Versandhandel werden heute in der Regel zerlegt geliefert. Hier wird also ein imaginärer Abzug vom Preis kommuniziert. Und das kann jedes Handelsunternehmen.

Ausgehend vom höheren Preis, der durchgesetzt werden soll, werden Zusatzservices und Nachlässe gewährt. Beispiel: Der Geschirrspüler soll 1000 CHF im Versand kosten. Das vergleichbare Gerät kostet beim Konkurrenten 950 CHF. Ausgezeichnet wird die Ware im Shop dann mit 900 CHF bei Selbstabholung. Aber aufgepasst: Der Preis muss dann auch gewährt werden und sich rechnen, wenn die Kundinnen und Kunden die Ware tatsächlich selbst abholen wollen. Psychologisch werden genügend Kundinnen und Kunden auch den höheren Preis akzeptieren, weil sie sich fair behandelt fühlen, da der Händler ja keine Aufschläge berechnet.

6. Krumme Zahlen – der Klassiker schlechthin

Mit «ungerundeten» Zahlen zu operieren, klingt nach kaltem Kaffee, weil wohl alle Kundinnen und Kunden davon bereits gehört haben. Aber: Der Trick funktioniert immer noch, weil er etwas damit zu tun hat, wie wir mit Zahlen in unserem Kopf hantieren. Ein «krummer» Preis suggeriert, dass das Unternehmen ganz genau kalkuliert hat. Preise, die auf Ziffern enden, die eher selten zu sehen sind, wie 5, 6, 7 und 8, lassen die Kundschaft vermuten, dass es sich hier um einen preisreduzierten Artikel handelt. Das Produkt wirkt gleich viel attraktiver, wenn es 0.49 Franken, statt 0.51 Franken kostet. Da wir von links nach rechts lesen, bleiben die ersten Ziffern nachhaltiger im Gedächtnis.

Stephan Lamprecht, Journalist

Stephan Lamprecht begleitet seit zwei Jahrzehnten als Journalist und Berater das E-Commerce-Geschehen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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