Liefergebühren: Dominierende Modelle am Markt

Frau mit Smartphone am Kaffeetrinken

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Blogserie Teil 5 Liefergebühren: Dominierende Modelle am Markt

Publiziert am 03.11.2022 von Dr. Matthias Schu, E-Food Experte & Autor

Im E-Food sind aus Anbietersicht neben der Lieferart die Liefergebühren und die damit verbundenen Ansätze und Herangehensweisen immer wieder ein kontrovers diskutiertes Thema, dem auch die Kundschaft meist viel Aufmerksamkeit schenkt. Doch welche Modelle finden in der Praxis tatsächlich Anwendung, was sind ihre Vor- und Nachteile? Und welcher Ansatz ist langfristig erfolgsversprechend? Diesen Fragen widmet sich der folgende Artikel.

Liefergebührenmodelle in der Übersicht

Ein weiteres Thema im Lebensmittelonlinehandel, das neben Picking und Fulfillment immer wieder kontrovers diskutiert wird und dem – anders als die beiden genannten Themen – aus Kundensicht eine hohe Aufmerksamkeit zuteilwird, sind allfällig zu zahlende Liefergebühren.

Beim Blick in den DACH-Raum und auch über den europäischen Tellerrand hinaus fällt auf, dass nicht DAS eine präferierte Modell am Markt zur Festlegung von Liefergebühren anzutreffen ist. In der Schweiz und den angrenzenden Nachbarländern besteht ein bunter Mix, der im Folgenden näher analysiert wird.

Ein für einen Anbieter optimales Pricingmodell bei den Liefergebühren zeichnet sich heutzutage dadurch aus, dass es aus Kundensicht verständlich und akzeptabel ist, zum jeweiligen Kontext des Händlers und seiner Strategie passt und ihm hilft, seine Kosten für die Dienstleistung «Fulfillment» zumindest teilweise abzudecken und so die Unit Economics zu stützen.

Abbildung 1: Im E-Food anzutreffende Pricingmodelle

Gratislieferung

Ein Modell, das besonders zum Deutschlandstart von Picnic 2018 für Furore sorgte, ist die Gratislieferung ab Erreichen des Mindestbestellwertes. Im Fall von Picnic liegt dieser nach einer Aufstockung im Jahr 2020 von vormals 25 Euro bei 35 Euro. Anders als beim klassischen, in der Schweiz vorherrschenden Ansatz mit gestaffelten Lieferkosten richtet sich das Liefergebührenmodell nicht am Warenkorbwert aus – daher wird aus Händlersicht regelmässig auch die Frage der langfristigen Wirtschaftlichkeit dieses Ansatzes gestellt, da Kommissionierung und Heimlieferung komplex und im E-Food einer der grössten Kostenblöcke sind.

Befürworter argumentieren meist mit einem besseren Verhältnis von Stopps und Strecke in Bezug auf das einzelne Auslieferfahrzug. Zudem wird bei diesem Modell dem Kunden meist nur eine stark eingeschränkte Anzahl von Lieferslots angeboten, z. B. ein Slot pro Tag. Die Auslieferung erfolgt auf mehr oder weniger festen Routen innerhalb eines Gebiets, wodurch die höhere Anzahl von Stopps generiert werden kann und Effizienzvorteile auf der Kostenseite möglich werden. Der zur Migros Genossenschaft Aare gehörende Onlineshop myMigros praktiziert ebenfalls die Gratislieferung ab einem Bestellwert von CHF 80, jedoch ohne eine Einschränkung der Lieferslots wie bei Picnic.

Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die Position «Liefergebühr» in der Deckungsbeitragsrechnung der Händler immer stärker erodieren wird und vom Kunden mittelfristig auch bei E-Food eine Gratislieferung verlangt werden wird.

Fixe Gebühr

Im Falle der fixen Gebühr zahlt die Kundin eine feste Pauschale pro Bestellung, und zwar unabhängig vom Warenwert. Diese Art der Gebühr ist vor allem im Bereich der Restaurant-Delivery-Anbieter und im Quick Commerce anzutreffen, z. B. bei eat.ch oder Stash. Teilweise sind auch Kombinationen mit einem Mindestbestellwert oder mit Bestellwertschwellen anzutreffen, ab der die Gebühr dann entfällt (z. B. bei myMigros).

Die grossen Vorteile aus Kundensicht sind eine leichte Verständlichkeit des Modells sowie eine generell höhere Wiederbestellrate, falls die zu entrichtende Gebühr eher tief ist. Andererseits führt dies dann allerdings zu einem fehlenden Incentive, warum die Kundin mehr pro Warenkorb bestellen sollte, was sich durch tendenziell erhöhte Bestellfrequenz negativ auf die Prozesskosten beim Anbieter auswirkt.

Gestaffelte Gebühr

Das quasi klassische Modell im Schweizer E-Food wendet gestaffelte Liefergebühren an, die in Abhängigkeit des Warenkorbwerts variieren. Generell gilt: Je höher der Warenkorbwert, desto geringer die Liefergebühr, teilweise bis hin zur Gratislieferung. Wird eine Warenwertschwelle im Warenkorb erreicht, findet die nächsttiefere Liefergebühr Anwendung. In der Schweiz finden gestaffelte Liefergebühren bei Coop, Migros online und Farmy Anwendung.

Die Warenkorbwerte fallen bei gestaffelten Gebührenmodellen meist höher aus; der Kunde bestellt also mehr, um die nächste Schwelle mit geringerer Liefergebühr zu erreichen. Zudem erzielt der Händler einen vergleichsweise hohen finanziellen Anteil zum Deckungsbeitrag pro Warenkorb. Als Manko ist jedoch festzuhalten, dass die hohen Gebühren bei tieferen Warenkorbwerten – meist in Kombination mit einem hohem Mindestbestellwert – bestimmte Kundensegmente (z. B. Singlehaushalte, Studierende, Einkommensschwache) eher abschrecken oder eine Bestellung verunmöglichen.

Fixe Gebühr mit Markups

Die diesem Modell zugrunde liegende Idee ist, dass eine pauschale Liefergebühr und ein vorhandenes Servicelevel um zusätzliche Services erweitert werden, die die Kundin gegen ein weiteres Entgelt dazubuchen kann. Primär ist dieses Modell im Restaurantliefergeschäft anzutreffen, oftmals in Form einer priorisierten Auslieferung gegen zusätzliches Entgelt. Somit handelt es sich um eine Art Premiumoption bei Auslieferung, um eine höheren DB zu erwirtschaften. Derzeit wendet Uber Eats dieses Modell in Berlin an: Bei Auslieferung wird man für einen Euro zusätzlich als erster angefahren, und die Pizza kommt vielleicht noch warm an. Der Charme aus Anbietersicht: Ohne grosse Mehrkosten können die Unit Economics verbessert und eine höhere Zahlungsbereitschaft kann bei den Kunden abgeschöpft werden. Aus Kundensicht nachteilig ist an diesem Modell jedoch, dass die Kundin im Basispaket nur eine Art Grundleistung erhält und für einen besseren Service Mehrausgaben tätigen muss.

Lieferabo

Die seit ein paar Jahren aufkommenden Lieferflats können als eine Art Abomodell gesehen werden: Der Kunde bezahlt einmalig einen Betrag x und kann innerhalb einer Zeitspanne eine bestimmte Anzahl von Gratislieferungen, z. B. eine pro Tag, in Anspruch nehmen. Damit sind aus Kundensicht alle für die Gratislieferungen anfallenden Liefergebühren gedeckt. Vorreiter dieses Modells ist der britische E-Food-Anbieter Ocado, der mit seinem Smart Pass einer der ersten Onlinelebensmittelhändler war, die Lieferflats anboten. In der Schweiz sind Lieferabos bei Migros online und Farmy im Einsatz.

Dem Abomodell kommt aber noch eine weitere Aufgabe zu: Weit wichtiger als den Kunden nur zum vermehrten Bestellen anzuregen, ist die gleichzeitige Schaffung von sog. «Lock-in»-Effekten – es wird versucht, den Kunden im System und im eigenen Universum zu halten und somit neben der Bestellhäufigkeit auch die Loyalität zum eigenen Shop positiv zu beeinflussen. Quasi wie bei den Programmen von Amazon Prime oder Walmart+. Auch in der Schweiz existiert ein ähnliches Modell mit grossem Potenzial, an dem sich im Foodbereich sowohl myMigros als auch Migros online beteiligen: Migros M-Plus.

Dynamic Pricing

Dynamic Pricing, das auch als Yield Management bezeichnet wird, wurde ursprünglich in den 70er Jahren in der Luftfahrtindustrie entwickelt und erfreut sich neben Fluggesellschaften insbesondere bei Hotels und Autovermietern einer grossen Beliebtheit. Ziel ist die Schaffung eines Systems zur besseren Steuerung der eigenen Auslastung in Relation zur Nachfrage.

Inzwischen hat Dynamic Pricing, das teilweise auch als Ertragsmanagement bezeichnet wird, ebenfalls Einzug im E-Food bei der Bestimmung der Liefergebühren gehalten. Neben dem Brechen von Spitzen und der Umverteilung von stark nachgefragten und somit teureren auf weniger gefragte und somit günstigeren Lieferslots steht insbesondere die Idee der Ertragsoptimierung durch Ausnutzen der Nachfrage sowie das Erzeugen einer kalkulierbaren Grundauslastung im Vordergrund, um die generell hohen Kosten der Eigenauslieferung besser decken zu können.

Der norwegische E-Food-Händler ODA sowie Bringmeister aus Deutschland wenden obiges Prinzip an und bieten verfügbare Lieferslots zu unterschiedlichen Liefergebühren an. Stark nachgefragte Lieferslots am Abend sind dabei teurer, eher unattraktive am Vormittag oder frühen Nachmittag günstiger.

In der Schweiz hat Dynamic Pricing bei den Liefergebühren bisher noch keinen Einzug gehalten, wird aber immer wieder einmal bei den verschiedensten Anbietern als Option thematisiert.

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