Kundenerwartungen in Post-Covid-Zeiten

Person steht auf Steg an einem See

Person steht auf Steg an einem See

Customer Experience Kundenerwartungen in Post-Covid-Zeiten

Publiziert am 27.09.2022 von Stephan Lamprecht, Journalist

Die Erfahrungen aus der Pandemie haben die Erwartung der Kundschaft gegenüber dem Handel verändert. Darüber besteht zwischen Expertinnen und Experten kein Zweifel. Die Bedeutung der Customer Experience (CX) im Handel hat eine noch grössere Bedeutung bekommen.

Aber was macht eine positive Kundenerfahrung nach der Pandemie aus? Was erwartet die Kundschaft von Handel? Mit diesen Fragen haben sich gleich eine ganze Reihe von Studien und Umfragen beschäftigt.

Bequem, lokal und nachhaltig

In Kooperation mit dem IFH Köln ist ein Thesenpapier von Capgemini entstanden. «Retail of the Future» bietet eine grundlegende Orientierung, wohin die Reise für Händlerinnen und Händler gehen kann. Die Grundannahme, die sich auch aus aktuellen Umsatzstatistiken belegen lässt, dürfte den Onlinehandel freuen. Denn sie besagt, dass die Kundschaft noch mehr online kaufen wird als heute. Allerdings ohne das zweistellige Umsatzwachstum der Jahre 2020 und 2021. Dennoch gibt es für den stationären Handel auch Hoffnung. Denn die Studie kommt zu dem Schluss, dass auch weiter im Laden eingekauft wird, wenn es dort digitale Verzahnungen gibt.

Drei Thesen betreffen beide Vertriebsschienen. Demnach wünschen sich die Kundinnen und Kunden:

  • Convenience-Technologien: Exemplarisch sei hier ein kassenloser Supermarkt oder 24/7-Store genannt.
  • Lokale Angebote: Während der verschiedenen Lockdowns und Einschränkungen hat insbesondere der lokale stationäre Handel gelitten. Das ist der Kundschaft bewusst und hat lokale Angebote in den Fokus gerückt. Dieser Aspekt wird aber gerade online nach wie vor schwierig umsetzbar sein.
  • Nachhaltigkeit: Der Verbrauch von Ressourcen bei der Herstellung, Produktionsbedingungen oder Informationen über die Herkunft von Produkten wird für viele Kundinnen und Kunden wichtiger. Für einen Teil blieben aber Convenience und der Preis relevanter.

Einen genaueren Blick auf die Erwartungen der Kundschaft im Bereich des Kundenservice haben Firmen wie Freshworks oder Zendesk in Befragungen geworfen. Die Zahlen zeigen, dass die Kundschaft gegenüber dem Service höhere Erwartungen entwickelt hat. Das umfasst sowohl die Erreichbarkeit, die Antwortgeschwindigkeit, die Qualität der Antworten und die Zahl der Kanäle. Gleichzeitig hat die Pandemie aber wohl auch zu einem grösseren Verständnis gegenüber den Mitarbeitenden im Support geführt. Die Kundschaft begegnet den Beschäftigten im Service mit mehr Empathie. Das könnte an den eigenen Erfahrungen im Home-Office liegen. Allerdings kennt diese Empathie auch Grenzen. Enttäuschen Unternehmen im Service, wandert die Kundschaft zu einem anderen Anbieter ab. Besonders ärgerlich scheint es für die Kundinnen und Kunden zu sein, das gleiche Anliegen mehrmals beim Kontakt mit einem Unternehmen vortragen zu müssen.

Wie der Handel am besten reagiert

Der Wunsch nach Bequemlichkeit für die Kundinnen und Kunden lässt sich sowohl online wie stationär umsetzen, in dem die Customer Journey und die Kaufprozesse möglichst schnell und reibungslos gestaltet werden. Hier gilt es auch Friktionen und Ärgernisse zu beseitigen. Dazu zählen stationär etwa Warteschlangen an den Kassen, die sich durch Self-Service-Angebote reduzieren lassen. Im Onlineshop zeigen sich bei kritischer Prüfung ebenfalls stets Verbesserungsmöglichkeiten. Sei es beim Angebot von Bezahlverfahren, unnötigen oder unlogischen Eingaben in Formularen oder unübersichtliche oder schlecht beschriebene Rückgabeprozesse. Fehlerlose Prozesse tragen viel zu einer positiven Erfahrung bei. Hier hilft nur testen, testen und testen. Das gilt insbesondere, wenn neue Funktionalitäten im System ausgerollt worden sind.

Wie das Beispiel Kundenservice zeigt, ist auch die Konsistenz des Erlebnisses wichtig. Unabhängig davon, über welchen Kanal die Kundinnen und Kunden ihre Anliegen und Wünsche vortragen, sollten sie eine Antwort und Reaktion mit hoher Qualität erhalten. Dazu ist es etwa notwendig, dass alle an den Prozessen beteiligten Mitarbeitenden auf die gleichen Informationen zugreifen können. Nur so können sie bereits begonnene Anliegen auf einem anderen Kanal fortführen.

360 Grad Blick schaffen

Eine wichtige Voraussetzung dafür, die Erwartungen der Kundschaft zu erfüllen, besteht in einem «360-Grad-Blick». Der Begriff ist zwar inzwischen zu einem Marketing-Schlagwort verkommen, bedeutet aber im Kern nichts anderes, als sich ein umfassendes Bild zu jedem Kunden schaffen zu können. Dazu gehört die gesamte Customer Journey – vom ersten Kontakt, über die Bestellung, Auslieferung bis zum Bezahlen und möglicher Reklamation. «Customer Relationship Management» (CRM), unabhängig von einer eingesetzten Software, bleibt enorm wichtig. Und nur, wer seine Prozesse kritisch hinterfragt, wird auch Verbesserungspotenziale entdecken.

Oft scheitert gutes CRM daran, dass zu viele unterschiedliche Systeme eingesetzt werden, die zu wenig Daten miteinander austauschen. So sollten die Kundinnen und Kunden im Falle einer Rückfrage oder Reklamation nicht erst erklären müssen, um welche Bestellung es sich handelt. Die Mitarbeitenden im Support sollten also Zugriff auf die Bestellhistorie haben. Genauso wenig hilfreich ist es, wenn im Rahmen von Newslettern oder andere Kommunikationsmittel Produkte angeboten werden, die die Kundinnen und Kunden ohnehin gerade gekauft haben.

Kurzum: Die Kundenerwartungen sind während der Pandemie noch weiter gestiegen, die Messlatte liegt hoch – der Handel muss sich also noch mehr Mühe geben.

Stephan Lamprecht, Journalist

Stephan Lamprecht begleitet seit zwei Jahrzehnten als Journalist und Berater das E-Commerce-Geschehen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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