Implementierung von AR in produzierenden Unternehmen: Barrieren, die es zu überwinden gilt

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Augmented Reality (AR) Implementierung von AR in produzierenden Unternehmen: Barrieren, die es zu überwinden gilt

Publiziert am 13.01.2022 von Prof. Dr. Philipp A. Rauschnabel, Professor für Digitales Marketing und Medieninnovation, Universität der Bundeswehr München

Zahlreiche Prognosen zeigen, dass der Einsatz von Augmented Reality (AR) die Fertigungsindustrie in naher Zukunft revolutionieren wird. Welche Barrieren es allerdings zu einer erfolgreichen Implementierung von AR-Anwendungen in produzierenden Unternehmen noch zu überwinden gilt, untersuchten wir im Rahmen des Projektes «AR in Manufacturing». Gefördert wurde das Projekt durch die AREA (Augmented Reality for Enterprise Alliance), die weltweit grösste Non-Profit-Organisation im Bereich Enterprise AR.

Augmented Reality (AR) erlaubt es, digitale Informationen realistisch und in Echtzeit in das Sichtfeld von Nutzern zu integrieren. Einige Unternehmen haben bereits damit begonnen, AR als Unternehmenswerkzeug einzuführen. Indem Mitarbeitenden virtuelle arbeitsbezogene Informationen (beispielsweise über Tablets oder AR-Brillen) eingeblendet werden, erwarten Unternehmen ein höheres Mass an Effizienz. Auch zahlreiche Studien belegen die positiven Auswirkungen von AR auf Produktivität, Qualität und Sicherheit. Dennoch befinden sich AR-Projekte in den meisten produzierenden Unternehmen noch im «Proof-of-Concept», und Unternehmen stehen vor erheblichen Herausforderungen hinsichtlich einer erfolgreichen Implementierung dieser innovativen Technologie. Daher war es unser Ziel, im Rahmen des Projektes «AR in Manufacturing» Barrieren bei der Implementierung von AR in produzierenden Unternehmen zu identifizieren und Lösungsansätze für eine erfolgreiche Einführung von AR-Anwendungen zu definieren.

Unsere Ergebnisse aus qualitativ erhobenen Daten mit AR-Managern weltweit agierender Unternehmen zeigen, dass neben strategischen Hürden wie Technologie, Infrastruktur und Change-Management insbesondere die Nutzerakzeptanz eine hohe Relevanz in der erfolgreichen Einführung von AR in Unternehmen hat. Denn: Nur wenn Mitarbeitende diese Technologie nicht verweigern, sondern idealerweise regelrecht nachfragen, stehen die Chancen für einen Effizienzgewinn gut. Darauf aufbauend erforschten wir in einer quantitativen Studie unter 263 Fertigungsarbeiterinnen und -arbeitern Barrieren bei der Implementierung von AR und ermittelten elf konkrete und messbare Faktoren, die zur Ablehnung der Technologie führen:

  • Psychological Risk: Das Ausmass, zu dem Arbeitnehmende erwarten, dass AR negative Auswirkungen auf ihr psychologisches Wohlbefinden haben wird.
  • Data Security Issues: Die Befürchtung der Arbeitnehmenden, dass AR ihrem Arbeitgeber schaden könnte, indem Dritten Zugang zu sensiblen Daten und Informationen ermöglicht wird.
  • Fashion Risk: Das von den Arbeitnehmenden wahrgenommene Risiko, dass das Tragen von AR-Technologien ihre visuelle Wahrnehmung negativ beeinflusst und diese sie im Extremfall sogar albern aussehen lassen. Fashion Risk ist besonders relevant für Wearables mit AR-Technologien wie AR-Brillen.
  • Fear of Job Loss: Die Befürchtung der Arbeitnehmenden, dass AR-Anwendungen so gut sind, dass sie leicht durch eine andere Person ersetzt werden könnten, selbst durch jemanden mit weniger (oder keinem) Fachwissen.
  • Hygiene Risk: Das Ausmass, zu dem Arbeitnehmende einen Mangel an Hygiene bei der Verwendung von AR-Geräten empfinden (insbesondere bei AR-Brillen, die von mehr als einer Nutzerin getragen werden).
  • Loss of Competence: Die Wahrnehmung der Mitarbeitenden, dass das Anleiten durch alle (neuen) Aufgaben und Prozesse durch AR zu einer Abnahme der eigenen Kompetenz führt. Mit anderen Worten, die Arbeitnehmenden befürchten, dass sie wertvolle Fähigkeiten verlernen.
  • Loss of Routine: Das Ausmass, zu dem die Arbeitnehmenden befürchten, durch AR weniger flexibel zu werden und ihre persönlichen Arbeitsroutinen ändern zu müssen.
  • Paternalism: Die von den Arbeitnehmenden wahrgenommene Angst, durch AR bevormundet zu werden. Das heisst, sie befürchten, dass ihnen zu einfache und selbstverständliche Informationen präsentiert werden.
  • Risk of Distraction: Die von den Arbeitnehmenden wahrgenommene Angst, von echten Gefahren abgelenkt zu werden, was zu Arbeitsunfällen und Verletzungen führen könnte.
  • Risk of Information Mistakes: Die von den Arbeitnehmenden wahrgenommene Angst, «falsche» Informationen zu erhalten, z. B. falsche, irrelevante oder zu viele Informationen (gleichzeitig).
  • Surveillance/Privacy Issues: Das von den Arbeitnehmenden wahrgenommene Risiko, dass AR (1) ihre eigene Privatsphäre bedrohen kann, (2) die Privatsphäre anderer Personen (z. B. Kolleginnen und Kollegen) bedrohen kann und (3) das Gefühl ständiger Überwachung.

Für jeden dieser Faktoren gilt, dass eine höhere Risikowahrnehmung mit höherem Widerstand und geringerer Akzeptanz von AR-verbunden ist. Des Weiteren haben wir herausgefunden, dass die meisten Risikofaktoren von Nutzenden, die schon eine gewisse Erfahrung mit AR haben, schwächer bewertet werden.

Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass die Arbeitnehmenden früher in den Prozess der Implementierung von AR einbezogen und entsprechend geschult werden sollten, um ihre Bedenken gegenüber AR zu minimieren und somit ihre Bereitschaft zur Nutzung von AR zu erhöhen. Um die Akzeptanz von AR unter Mitarbeitenden von Beginn an zu erhöhen, empfehlen wir Managern, folgende Aspekte zu beachten:

  • Starten Sie mit einem Assessment des AR-Wissens. Standardisiert – unsere Daten können als Benchmark dienen – oder ggf. auch nur informell. Sie sollten ein Verständnis davon haben, welches Wissen, welche Bedenken und welche Hoffnungen Ihre Mitarbeitenden in Bezug auf AR haben. In vielen Unternehmen werden die Bedenken und Unwissenheit (noch) dominieren.
  • Sofern das der Fall ist, bringen Sie Ihren Mitarbeitenden das Thema AR nahe. Machen Sie Schulungen, zeigen Sie spielerische Apps oder lassen Sie in Workshops von den Mitarbeitenden selbst Ideen generieren. Unabhängig davon, ob diese Konzepte später umsetzbar sein, können Sie AR Ihren Mitarbeitenden so schmackhaft machen.
  • Beziehen Sie die Mitarbeitenden ein, welche die AR Anwendungen später nutzen sollen. Identifizieren Sie Bedenken und praktische Herausforderungen im Einsatz. Seien Sie persönlich anwesend, wenn die ersten Prototypen getestet werden und nehmen Sie jede Rückmeldung ernst.
  • Viele Mitarbeitende werden sicherlich nach mehr Informationen fragen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass «mehr Informationen immer besser sind». Ein Übermass an Informationen könnte sogar dazu führen, dass sich die Arbeitnehmenden bevormundet fühlen oder von tatsächlichen Gefahren abgelenkt werden, was wiederum zu Resistenz führt. Diese Reaktion ist paradox, da sie den Aussagen vieler Menschen widerspricht. Daher: Begleiten Sie die ersten Nutzenden bei den ersten Schritten in AR.
  • Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass die Angst vor dem Verlust des eigenen Arbeitsplatzes ein Faktor ist, dessen Bewertung im Gegensatz zu den anderen Faktoren mit der Nutzung von AR nicht abnimmt. Daher sollten Unternehmen klar kommunizieren, wie sich der Einsatz von AR auf die Arbeitsplatzsicherheit auswirkt und Arbeitnehmenden die Angst nehmen, durch die Technologie ersetzbar zu werden. Achten Sie darauf, dass Menschen durch die Nutzung von AR mehr Spass am Job haben, z. B. weil einige weniger spannende Aufgaben (wie das Ablesen von Typenbezeichnungen) vereinfacht oder gar übernommen werden können.

 

Quellen:
Schein, K. E., & Rauschnabel, P. A. (2021). Augmented reality in manufacturing: exploring workers’ perceptions of barriers. IEEE Transactions on Engineering Management.

Katrin E. Schein

Katrin E. Schein ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin an der Professur für Digitales Marketing und Medieninnovation an der Universität der Bundeswehr München tätig. Sie beschäftigt sich in Forschung und Lehre mit dem Einsatz neuer Technologien, insbesondere mit Augmented Reality (AR). Ihr Fokus liegt dabei auf dem Einfluss von AR auf Konsumentenverhalten und Nutzerakzeptanz.

Portrait Katrin E. Schein

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