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Blogserie Teil 4 Die letzte Meile – Ausliefermodelle im Fokus
Neben den Kosten für die Kommissionierung schlagen bei E-Food die Kosten der Auslieferung signifikant zu Buche. Und die letzte Meile gilt allgemein als erfolgskritischer Faktor. Dieser Beitrag beleuchtet die gängigen Lieferoptionen im Schweizer Markt für online bestellte Lebensmittel.
Last Mile Logistics – Komplexität und Hauptkostentreiber im E-Food
Im Lebensmittelonlinehandel gilt die Logistik auf der letzten Meile allgemein als erfolgskritischer Faktor. Und nicht erst seit der Quick-Commerce-Welle ab 2020 nimmt der Anspruch an Geschwindigkeit und prompte Lieferung aus Kundensicht immer stärker zu.
Das Komplexe und Teure jedoch: In der Value Chain von E-Food-Anbietern kommissioniert nicht der Kunde wie im traditionellen, stationären Detailhandel, sondern die Mitarbeitenden des Händlers – mit entsprechenden Auswirkungen auf DB und EBIT pro Warenkorb. Und auch nicht der Kunde, sondern ein Mitarbeiter des Händlers oder eines Logistikpartners transportiert die Ware zum Kunden nach Hause vor die Haustür. Mit entsprechendem Kostendurchschlag: So hat die Unternehmensberatung Capgemini bereits im Jahr 2019 berechnet, dass die Kosten der letzten Meile rund 48 Prozent Anteil an den Gesamtkosten der Supply Chain im Onlinelebensmittelhandel haben. Gefolgt vom Picken der Bestellung mit rund 18 Prozent sowie dem Verpacken für die Auslieferung mit rund 15 Prozent. Die Kosten für Lagerung der Lebensmittel schlagen mit 12 Prozent der Gesamtkosten zu Buche, während sich die verbleibenden weiteren Kosten innerhalb der Supply Chain auf rund 7 Prozent der Gesamtkosten subsumieren.
Führt man den Gedankengang weiter, stellt man relativ schnell fest, dass Fulfilmentkosten und insbesondere die Lieferkosten auf der letzten Meile die grösste Hürde für E-Food-Händler darstellen, um die Schwelle zur Profitabilität zu erreichen.
So wundert es auch nicht, dass der Experimentierfreudigkeit der Anbieter auf der letzten Meile kaum Grenzen gesetzt sind. Die wichtigsten Modelle für den Schweizer Markt werden im Folgenden näher betrachtet.

Auslieferung mit Hilfe von KEP-Dienstleistern wie der Schweizerischen Post
Die Auslieferung von Bestellungen mit Hilfe von Paket- und Logistikdienstleistern stellt prozessual betrachtet die einfachste Möglichkeit dar, die auszuliefernde Ware dem Endkonsumenten zu übergeben. Der Hauptvorteil des quasi «Outsourcens» der Lieferleistung an einen Dienstleister besteht darin, dass diese Variante schnell und ohne zusätzliche Kapitalbindung oder weitere eigene Mitarbeitende realisierbar ist.
Zudem kann rasch ein grosses Liefergebiet bedient werden, und es ist eine schnelle Skalierbarkeit gegeben. Des Weiteren verfügen die Dienstleister über eingespielte Prozesse und können meist in hoher Qualität zustellen. Die Zustellungshoheit liegt voll beim Logistikpartner, der sich ab Abholung der Ware an der Rampe des Onlineshops um die weiteren Schritte kümmert. Diese Auslagerung der Zustellung kann jedoch zu weniger Flexibilität und mehr Schnittstellen führen. Ausserdem liegt dann der letzte Schritt der Customer Journey nicht mehr in den eigenen Händen. Persönlicher Kontakt bei der Übergabe oder auch ein Abheben von der Konkurrenz durch persönliche Ansprache oder Zusatzservices vor Ort sind aufgrund des gewählten Liefermodells nicht möglich.
Abholung durch den Kunden bei Pick-up/Drive-in Station
Bei dieser Lieferoption, die oftmals auch als «Click & Collect»-Modell bezeichnet wird, holt die Kundin ihre Bestellung an einem von ihr ausgewählten Lieferdatum an einer Abholstation ab. Eine Abholstation kann beispielsweise ein eigener Store, der Store eines Partnerunternehmens oder auch eine (gekühlte) Abholbox sein, in der die Ware deponiert wird.
Der Anbieter muss lediglich die termingerechte Bereitstellung in der entsprechenden Abholstation sicherstellen und die Kundin benachrichtigen, dass die Bestellung zur Abholung bereitsteht. Die weitere Lieferleistung bis zum Zuhause der Kundin wird von ihr selbst übernommen.
Da die «Click & Collect»-Option jedoch oft nur in Verbindung mit einer weiteren Lieferart angeboten wird und daher eher für Multi- oder Omnichannelhändler prädestiniert ist, schafft sie für die Kundin zwar eine weitere Option, um an die bestellte Ware zu gelangen, generiert beim Händler aber zusätzliche Komplexität.
Des Weiteren hat sich in der Schweiz gezeigt, dass «Click & Collect»-Optionen im Detailhandel nicht dem Kundenbedürfnis entsprechen: Die Schweizer Kundinnen und Kunden bevorzugen in den meisten Fällen eine Heimlieferung.Entsprechende Tests der beiden grossen Detailhändler an diversen Standorten wurden in der Vergangenheit denn auch wieder eingestellt.
Auslieferung mit eigener Flotte
Bei dieser Form erfolgt die Auslieferung der Bestellungen an die Kundinnen und Kunden mit eigener Fahrzeugflotte und eigenem Personal. Der Hauptvorteil dieser Auslieferlösung besteht in einer höheren Flexibilität sowie in der maximal erreichbaren Kombination von zusätzlich anbietbaren Services wie z. B. Rücknahme von PET, Leergut oder Mehrweg-Transportverpackungen. Auch werden bei der Belieferung mit eigener Flotte meist stunden- und im Quick Commerce minutengenaue Lieferzeitfenster angeboten, die dem Kunden ein minimales Warten auf seine Bestellung ermöglichen. Zudem kann eine eigene Lieferflotte bzw. eigenes Lieferpersonal noch als quasi kostenlose Werbefläche genutzt werden. Zusammen zahlt dies in einem sonst nicht erzielbaren Masse auf die Schaffung einer konsistenten User Experience (UX) ein, die für den Kunden das Shoppingerlebnis abrundet, und das schafft, was im E-Commerce sonst als das grösste Manko gesehen wird – der persönliche Kundenkontakt.
All diese Vorteile stehen jedoch auch einem grossen Nachteil gegenüber: erhöhte Kosten für Personal und Bindung von Kapital im eigenen Fuhrpark, das nicht für andere Investitionen genutzt werden kann.
Mischform
Neben den oben beschriebenen Lieferarten sind auch Mischformen denkbar und in der Praxis anzutreffen, die verschiedene Lieferarten miteinander kombinieren und somit dem Kunden eine grössere Auswahl und dem Shopbetreiber im besten Fall Kosten- oder Effizienzvorteile verschaffen.
Die wohl beliebtesten Mischformen sind die Kombination von Eigenauslieferung und Einsatz von KEP-Dienstleistern sowie das Anbieten von «Click & Collect»-Lösungen. Erstere ermöglicht es, dass mit Hilfe des KEP-Dienstleisters Spitzen abgefangen werden können, was bei Eigenauslieferung nur mit grossem Ressourcenausbau möglich wäre. Zudem können so auch Liefergebiete erschlossen werden, die mit Eigenauslieferung, z. B. wegen der Entfernung zum Lager, nicht effizient bedienbar wären.
Click & Collect, das vor allem in Frankreich einen hohen Verbreitungsgrad gefunden hat, schafft vor allem in Verbindung mit einem Multichannel-Ansatz und eigenen Stores Mehrwert: Hier können dem Kunden lange Abholzeiten ohne eine dezidierte Festlegung auf ein bestimmtes, eng getaktetes Lieferzeitfenster geboten werden, was seiner Spontanität zugutekommt. Der Hauptnachteil bei Anwendung von verschiedenen Liefermodellen besteht in gesteigerter Komplexität, höherem Koordinationsaufwand und somit auch der Gefahr, dass eine Bestellung theoretisch im falschen Kanal landen kann.
