Zwischen Nutzen und hohen Investitionen

Digitalisierung am POS Zwischen Nutzen und hohen Investitionen

Publiziert am 14.04.2021 von Biljana Nikolic, Digital Commerce Consultant bei der Schweizerischen Post

Die Zukunft des stationären Handels ist digital: So tönt es vielerorts. Aber in welche Technologien sollten Unternehmen investieren? Was bringt echten Nutzen?

Noch digitaler geht es kaum: In der Schweiz sowie Deutschland experimentieren erste Handelsunternehmen mit stationären Geschäften, die rund um die Uhr geöffnet sind, aber ohne Personal auskommen. Die Kundschaft nimmt dort beispielsweise Produkte einfach aus dem Regal, während die intelligente Technik im Hintergrund die Waren erkennt und abrechnet.

Das ist beeindruckende Kunst der Ingenieure und erntet viel mediale Aufmerksamkeit. Ob sich solche Ansätze auf breiter Basis durchsetzen können, muss sich erst noch erweisen. Valora musste kürzlich seinen Future-Store in Zürich schliessen. Die Kundschaft ging dann doch lieber anderweitig einkaufen. Wie sich der VOI Laden in Grenchen schlagen wird, wird sich zukünftig auch zeigen. Die bisher unbeantwortete Frage lautet zudem, ab wann sich diese hohen Investitionen rechnen werden.

Die Gefahr der digitalen Schönfärberei

So beeindruckend solche Leuchtturmprojekte auch sind, haben sie einen Haken gemeinsam: Sie sind sündhaft teuer. Der Besitzer eines Ladens um die Ecke oder kleinere Unternehmen können sich die Technik kaum leisten. Doch auch die Grossen der Branche laufen hier Gefahr, am Kunden vorbei zu digitalisieren.

Per Stimme gesteuerte digitale Spiegel, mit denen etwa H&M experimentiert, «intelligente» Fitting-Rooms wie bei Zara erleichtern den Einkauf. Aber werden sie die Kundschaft auch auf Dauer in die Läden ziehen, wenn sich der Effekt des Neuen abgenutzt hat? Und lösen sie überhaupt die Probleme des Handels, effizienter zu werden, sich noch mehr auf die Bedürfnisse von Kundinnen und Kunden zu fokussieren?

Digitalisierung am POS muss Kundschaft und Händlern nutzen.

Damit stellt sich die naheliegende Frage, welche digitalen Technologien den Kundinnen und Kunden und den Händlern gleichermassen nutzen? Dazu einige Beispiele:

  • Online-Sichtbarkeit und Inventory Ads: Die Customer Journey beginnt heute überwiegend online. Bevor es als an den POS geht, muss die Kundschaft erst einmal an den POS gebracht werden. Und das funktioniert nur, wenn der Händler online auch in den Suchmaschinen gut gefunden wird. Ein Onlineshop kann dabei helfen, aber Handelsunternehmen sollten nicht Onlineverkauf mit «online sein» verwechseln. Präsent kann ein Händler auch via Instagram oder anderen Netzwerken sein. Ein absoluter Pluspunkt sind «Inventory Ads», die Informationen zum Warenbestand bieten. So kann jeder entscheiden, ob es sich überhaupt lohnt, sich auf den Weg zu machen.
  • Digital Signage: Interaktive Displays lassen sich vielseitig einsetzen. Mit ihnen kann die Kundschaft sich in grösseren Geschäften besser orientieren, nach Produkten suchen oder weitere Informationen abrufen. Digital Signage liefert Inspirationen oder weist auch auf passende Zusatzartikel hin, beispielsweise durch das Auslesen von RFID-Etiketten an der Ware.
  • Digitale Verkaufshilfen: Der Übergang zwischen digitalen Verkaufshelfern und Digital Signage ist fliessend. Digitale Helfer können auch in Form von Apps genutzt werden. Konsequent eingesetzt (was aber eben Prozessoptimierungen im Backend verlangt) wird der Store zum Showroom. Die Waren können besser in Szene gesetzt werden, weil weniger Produkte direkt vor Ort verfügbar sind. Was die Kundschaft tatsächlich nach Hause nehmen will, wählt sie dann selbst aus. Ein beispielhafter Ansatz ist sicherlich der Future Store des Modehändlers BonPrix.
  • Selfcheckout in der Kassenzone: Es gibt inzwischen dermassen vielfältige Ansätze, die kaum noch zu überschauen sind. Im Lebensmittelhandel besitzen intelligente Einkaufswagen ein enormes Potential. Sie erkennen die hineingelegten Waren automatisch. Und sie bieten einen echten Mehrwert, denn das Einladen, Auflegen auf das Laufband und das Einräumen zurück in den Wagen entfallen. Auch «Scan & Go» wirkt vielversprechend, da es den Einkauf ebenfalls schneller und bequemer macht.
  • Digitale Kundenkarten: Die Digitalisierung der klassischen Kundenkarte eröffnet neue Möglichkeiten, weil Käufe, Interessen und Gewohnheiten unmittelbar als Daten vorliegen, die analysiert werden können. In Form einer App sind die Zeiten vorbei, in denen die Kundschaft die Karte zu Hause vergessen hat. Und in Kombination mit Ortungsfunktion im Laden können die Nutzerinnen und Nutzer direkt beim Betreten des Ladens auf Angebote aufmerksam gemacht werden.
  • Cloud und KI: Systeme des maschinellen Lernens und künstlicher Intelligenz optimieren die Personalplanung, die Platzierung des Planograms oder organisieren die Bestellung neuer Waren, um nur einige Beispiele der vielfältigen Möglichkeiten dieser Technologie zu beschreiben. Das ist alles längst keine Zukunftsmusik mehr: KI wird in immer mehr Programme und Lösungen einziehen.
  • Automatisierung: Statt Etiketten am Regal auszutauschen, werden die Preise zentral verwaltet und dank elektronischer Etiketten automatisiert aktualisiert. Zeitraubende Inventuren werden mit der Nutzung von RFID-Technik unnötig, entsprechende Sensoren bieten in Echtzeit exakte Zahlen zum Warenbestand.

Investiert der Handel klug und behält den Kundennutzen im Blick, wird er die Herausforderung der Digitalisierung auf jeden Fall meistern. Er darf sich nur nicht von den «Leuchtturm-Projekten» der Big-Player unter Druck setzen lassen.

Biljana Nikolic, Digital Commerce Consultant, Post CH AG

Biljana Nikolic ist seit Oktober 2019 bei der Schweizerischen Post tätig. Zuvor war sie lange Zeit im stationären Handel aktiv, wo sie in verschiedensten Unternehmungen als Regionalverkaufsleiterin im Einsatz stand. Als strategische Beraterin bei der Post führt sie ihre Kunden in die digitale Zukunft und unterstützt sie bei der Transformation – von der Ermittlung des digitalen Reifegrades bis hin zum Lösungskonzept.

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