Wie man digitale Monopole knackt

Geschäftsmodelle Wie man digitale Monopole knackt

Publiziert am 02.11.2021 von Rupert Bodmeier, Disrooptive.com

Noch nie war der Wettbewerbsdruck im E-Commerce so hoch, noch nie war die Übermacht eines einzigen Players so mächtig wie die von Amazon. Höchste Zeit, eine Strategie zu entwickeln, wie ein E-Commerce-Unternehmen sich behaupten kann. Und was sich markterdrückenden Plattformen entgegensetzen lässt.

Es ist die vielleicht mit Abstand wichtigste strategische Fragestellung, auf die die E-Commerce-Branche noch in diesem Jahrzehnt eine Antwort finden muss: Wie geht sie mit Amazon um? Einem milliardenschweren Goliath, der

  • allein in Deutschland doppelt so grosse Umsätze wie der zweitgrösste E-Commerce-Player erzielt,
  • 50 Prozent des E-Commerce-Wachstums im deutschsprachigen Raum auf sich allein vereinigt,
  • pro Quartal als Gesamtunternehmen mehr Gewinn erzielt als otto.de im Jahr Umsatz.

Da steht die Frage um Raum, wie sich ein Unternehmen gegen einen solchen Koloss behaupten kann. Was muss ein Unternehmen heute anschieben, damit es in zwei bis drei Jahren immer noch die Hoheit über den Kundenkontakt hat?

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In der Wirtschaftsgeschichte gab es bereits häufiger die Entwicklung, dass sich Unternehmen einem übermächtigen Gegner ausgesetzt sahen. Der E-Commerce ist nicht die erste Branche, die diesem Phänomen gegenübersteht.

Alle diese Märkte und Branchen wurden dabei stets von diesen Monopolisten befreit. So kam es immer wieder vor, dass der unschlagbar scheinende Monopolist wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwand. Wie kam es dazu?

Um ein Beispiel für eine solche Entwicklung zu finden, muss gar nicht weit gesucht werden. Es genügt, den Blick auf den Markt für Zustellungen zu richten, also gar nicht weit vom E-Commerce entfernt.

Bis vor 15 Jahren war der Markt für Zustellungen in Deutschland mehr oder weniger komplett unter wenigen grossen Playern wie die Post, Hermes, UPS usw. aufgeteilt. Die Deutsche Post hatte seinerzeit schon eine monopolähnliche Stellung inne. Und heute? Könnte der Markt gar nicht bunter sein. Es gibt praktisch keine Liefernische mehr. Die Zustellungsansätze könnten dabei nicht unterschiedlicher sein: Picnic liefert Lebensmittel auf festen Routen und zu bestimmten Uhrzeiten. Gorillas dagegen liefert alles innerhalb von zehn Minuten per Fahrrad.

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Die Wirtschaftswissenschaft spricht in diesem Fall von einer dynamischen Segmentierung: Mit neuartigen und unterschiedlichen Konzepten werden neue Marktsegmente auf einem monopolähnlichen Markt erschlossen. Und stellen ihn damit regelrecht auf den Kopf. Das Monopol wird aufgebrochen, weil der Markt in der Summe um ein Vielfaches grösser wird, wobei die neuen Segmente durch teilweise hochspezialisierte Konzepte erschlossen werden. Deren Ausprägung hat dann nur noch wenig mit dem bisherigen Monopolisten gemein. Der Marktanteil des ehemals dominanten Players nimmt insgesamt deutlich ab.

Ein geringerer Marktanteil führt aber letztlich auch zu einem Marktverlust. Das Unternehmen kann dem Markt nicht mehr länger seine Regeln aufzwingen. Das ist in dieser Form schon in etlichen Märkten passiert. Zu Beginn der 90er-Jahre betrug der Marktanteil von Microsoft an Betriebssystemen deutlich über 90 Prozent. Heute liegt er bei 23 Prozent. Weil u. a. mit Mobile, Tablets und Smart-Speakern völlig neue Segmente geschaffen und erschlossen wurden. Heute ist Android der mit Abstand grösste Player am Markt für Betriebssysteme, und Microsoft spielt im mobilen Bereich praktisch keine Rolle mehr.

Auch der Automobilmarkt wird auf ähnliche Weise völlig auf den Kopf gestellt. Über 80 Jahre trat nahezu kein einziger neuer Automobilhersteller von globalem Rang auf. In den vergangenen 14 Jahren sind aber allein über 40 neue Hersteller entstanden, darunter mit Tesla eines der aktuell wertvollsten Automobilunternehmen der Welt. Die Transformation in Richtung Elektromobilität und der Wandel zu neuen digitalen Geschäftsmodellen haben dies ermöglicht. Gewinnen neue Konzepte an Bedeutung, kommen die alten Player in der Regel nicht mehr mit, und der Markt sortiert sich neu.

Neue Konzepte und dynamische Segmentierungen eines Marktes sind also Voraussetzungen dafür, monopolähnliche Strukturen zu überwinden. Damit stellt sich die Frage, wie divers der E-Commerce-Markt ist. Wie stark unterscheiden sich die unterschiedlichen Verkaufsansätze? Wie sehen unterschiedliche Herangehensweisen aus, um sich bestimmte Segmente zu erschliessen?

Überspitzt formuliert, versuchen aktuell alle Anbieter das Gleiche zu machen. Jeder Anbieter versucht, in seinem Segment ein möglichst grosses Sortiment anzubieten. Die Vision scheint zu sein, dass die Kundschaft mit der Suchfunktion alle Produkte in den verschiedenen Kategorien des Segments findet. Zalando will alles rund um Mode anbieten, Thomann versucht ein vollständiges Sortiment rund um Musik zu bieten, Douglas versucht das mit Beauty und Otto quer durch alle Segmente und Kategorien.

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Nur in einem Markt, in dem alle das Gleiche machen, gehen die Kunden und Kundinnen nun einmal zu dem Besten. Und niemand bildet die E-Commerce-Welt aktuell besser ab als Amazon. Keiner hat ein grösseres Sortiment, bietet grössere Kulanz und bietet eine Abwicklung binnen zweier Tage. Solange sich Unternehmen einreden, dass sie sich von Amazon unterscheiden, indem sie die gleiche Leistung innerhalb eines Segments offerieren, wird sich Amazon weiterhin den grössten Teil des Kuchens sichern. In diesem Fall wird Amazon weiterhin an Marktmacht gewinnen, und den Konkurrenten bleibt nur die Hoffnung, dass der Staat hier möglicherweise regulierend eingreift.

Die bessere Alternative: Die Branche stellt sich, nach dem Vorbild der dynamischen Segmentierung, die alles entscheidende Frage: Was zeichnet die Verkaufskonzepte der Zukunft aus, die den «Everything Store» Amazon wie ein Relikt aus alten Zeiten aussehen lassen? Darum soll es dann in einem weiteren Blogpost gehen.

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