Wie funktionieren Marktplätze, wie verdienen sie Geld?

Marktplatzlandschaft Schweiz Wie funktionieren Marktplätze, wie verdienen sie Geld?

Publiziert am 06.07.2021 von Philippe Mettler, Leiter Digital Commerce, Post CH AG

Online-Marktplätze verzeichnen seit Jahren ein grosses Wachstum. So ist es nicht verwunderlich, dass sich Händler überlegen, sie ebenfalls zu nutzen. Besonders solche, die bereits über eine grosse Reichweite verfügen, wie Zalando oder H&M. In der Schweiz geht zum Beispiel Manor seit kurzem diesen Weg. Was hat es mit dem Trend um Marktplätze auf sich?

Es kam schon einer kleinen Sensation gleich, als sich der Distanzhändler Otto vor rund drei Jahren dazu bekannte, ein Marktplatz werden zu wollen. Schliesslich blickte das Unternehmen auf 70 erfolgreiche Jahre als Katalog- und Versandhändler zurück. Inzwischen befindet sich der Konzern in bester Gesellschaft, denn auch jüngere Unternehmen wie Zalando öffnen sich dem Marktplatzgedanken. Und wenn selbst Brands wie H&M ankündigen, sich auch für Angebote anderer Marken zu öffnen, ist das im Kern nichts anderes als ein Marktplatz-Modell.

Der Grundgedanke des Marktplatzes

Der Ansatz eines Marktplatzes ähnelt dem Grundgedanken der Warenhäuser, die Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden. Statt die Kundschaft auf der Suche nach Produkten in verschiedenen Geschäften einkaufen zu lassen, bieten Marktplätze eine Vielfalt unterschiedlichster Produkte verschiedener Händler oder Hersteller. Sie funktionieren somit so, wie die Shop-in-Shop-Konzepte im Detailhandel.

Die Betreiber gehen also nicht in Vorleistung durch den Einkauf von Waren, sondern das unternehmerische Risiko übernehmen die Verkäufer auf dem Marktplatz. Diese Analogie lässt sich auch im Erscheinungsbild weitertreiben. So sind einige Händler als solche deutlich auf einem Marktplatz zu erkennen, andere agieren für die Kundschaft anonym. Dieses «One-Stop-Shopping» ist aus Sicht der Kundinnen und Kunden der wesentliche Vorteil beim Einkauf auf einem Marktplatz.

Amazon ist die Blaupause für Marktplätze

Auf einer abstrakten Ebene lässt sich festhalten, dass ein Marktplatz auf seiner Plattform Anbieter und Nachfrager zusammenführt. Und weil das zu abstrakt ist, sei an die wesentlichen Vorteile bei der Nutzung eines Marktplatzes erinnert: Er spart Zeit und schafft Transparenz.

Für einen Händler bietet sich der Vorteil, dass er über den Marktplatz Kunden bzw. Interessenten erreicht, die er auf anderem Wege vielleicht nicht adressiert hätte. Das lässt sich auch auf die Händler übertragen, die ihren Onlineshop zu einem Marktplatz wandeln. Sie verfügen damit über die Option, Produkte oder Marken zu verkaufen, die sie vorher nicht im Sortiment hatten. Beispielsweise, weil die Aussichten darauf, die Sparte selbst aufzubauen, wirtschaftlich zu riskant gewesen wäre. Oder es eröffnen sich damit zusätzliche Verkaufschancen, wenn ergänzende Produkte zum eigenen Kernsortiment ergänzende Produkte angeboten werden.

Der Erfolg von Amazon als Marktplatz dient hier immer noch als Vorbild. Es sagt viel darüber aus, wie stark Walmart in den USA durch Amazon unter Druck geraten war, weil sich ein Händler, der mit einer klaren Discount-Strategie und einem fokussierten Warenangebot gross geworden ist, zu einem Marktplatz weiterentwickelte.

Vorteile und Risiken im Marktplatzgeschäft aus Händlersicht

Amazon dient auch unter einem zweiten Aspekt als Beispiel für das Marktplatzgeschäft. Denn auf der Plattform zeigen sich alle Vor- und Nachteile, die sich aus Sicht eines Händlers daraus ergeben.

Plattformen wie Amazon, Galaxus oder Zalando und andere verfügen über eine enorme Reichweite. So sind Markplätze heute zentrale Einstiegspunkte für die Produktsuche. Fehlt also ein Produkt auf Marktplätzen, besteht die Gefahr, weniger sichtbar für die Kunden zu sein. Um eine ähnliche Bekanntheit und Reichweite mit eigenen Mitteln aufzubauen, müssten Handelsunternehmen gigantische Summen in das Marketing erzielen – mit fraglichem Erfolg.

Dies ist auch im Kern das Problem, warum regionale und lokale Marktplätze in der Vergangenheit bisher kaum nennenswerte Umsätze erzielten. Ihr Warenangebot ist deutlich begrenzter und ihnen fehlen die finanziellen Mittel, um in Suchmaschinen auf den vorderen Plätzen aufzutauchen.

Ein zweiter Vorteil der Zusammenarbeit besteht darin, dass der Händler von der technischen Infrastruktur des Marktplatzbetreibers profitiert. Die grossen Plattformen besitzen in der Regel eine App für das Smartphone, zumindest aber eine für mobile Geräte optimierte Website. Diese müssen Händler dann nicht mehr aufbauen. Ausserdem übernehmen die Marktplätze den Prozess der Zahlungsabwicklung.

Schliesslich wird es durch die Teilnahme am Marktplatz auch einfacher, international zu expandieren.

Aus Sicht des Händlers erreicht er über den Marktplatz also viele Kunden, die er wahrscheinlich aus eigener Kraft nicht gewonnen hätte. Und er spart sich den administrativen Aufwand, die Zahlungen selbst abzuwickeln.

Diesen Vorteilen stehen allerdings auch Nachteile gegenüber, denen derer sich Handelsunternehmen bewusst sein sollten.

Aus ihrer Sicht kauft die Kundschaft bei Galaxus oder Amazon ein. Es gibt kaum Möglichkeiten, ein Marken- oder Einkaufserlebnis zu gestalten. Das gilt insbesondere dann, wenn Zusatzservices genutzt werden wie die Übernahme des Versands durch den Marktplatz. Absender der Ware ist dann etwa Amazon, das Produkt kommt in einem Karton mit dem Logo von Amazon, und Amazon belastet auch das Konto. Der Händler wird zum anonymen Produktgeber und damit austauschbar.

Je intensiver der Marktplatz genutzt wird, je mehr Umsätze sich also in dessen Richtung bewegen, umso grösser wird die Abhängigkeit von der Plattform. Das ist gleich zweifach doppelt gefährlich: Denn funktioniert eine Produktkategorie besonders gut, kann es passieren, dass der Marktplatzbetreiber das Geschäft selbst an sich reisst, und eine starke Eigenmarke mit viel Werbedruck verkauft. Und es hat in der Vergangenheit auch immer wieder Fälle gegeben, in denen ein Handelsunternehmen vom Marktplatz ausgeschlossen wurde.

Schliesslich trifft der Händler auf einen harten Wettbewerb. In kaum einer Produktkategorie wird er als einziger die Produkte anbieten. Teilweise tritt er auch direkt mit dem Marktplatz in Konkurrenz, der für relevante Produkte eben nicht nur Marktplatz, sondern auch selbst Händler ist. Ohne aktive Preisanpassungen, am besten mit einem automatisierten System, läuft das Angebot Gefahr, in der Masse unterzugehen.

Erlösmodelle für Marktplätze

Aus der Sicht eines etablierten Marktplatzbetreibers ist das Geschäftsmodell sehr attraktiv. Ohne zwingend selbst einen Warenbestand aufbauen zu müssen, profitiert er direkt von den Gebühren, die pro Verkauf fällig werden. Diese betragen je nach Produktkategorie und Marktplatz zwischen 7 und 20 Prozent des Verkaufspreises. Eine Grösse, die auch Händler bei ihrer Preiskalkulation im Blick behalten sollten, um nicht bei jedem Verkauf draufzuzahlen.

Weitere Erlösquellen sind die bereits kurz erwähnten zusätzlichen Serviceangebote, die der Händler in Anspruch nehmen kann. Dazu gehört in vielen Fällen die direkte Abwicklung des Versands durch den Marktplatzbetreiber. Der Händler liefert gegen eine Gebühr seine Waren in die Lagerhäuser des Betreibers ein, und dieser übernimmt, ebenfalls gegen Gebühr, auch den vollständigen Versand.

Und schliesslich sind immer mehr Marktplätze dazu übergegangen, eigene Werbeformate auf der Plattform (Retail-Media) zu entwickeln, um den Händlern Gelegenheit zu geben, sich durch Anzeigen von der Masse der Wettbewerber herauszuheben.

Ein «Vendor» wird in der Regel vom Marktplatzbetreiber dazu eingeladen. Es schliessen sich erst intensive Verhandlungen über die Konditionen an. Über den Vendor wollen sich die Marktplätze beispielsweise bestimmte Markenartikel und deren Vertrieb sichern. Als Vendor wird das Unternehmen zum Lieferanten des Marktplatzes; es muss seine Produkte an die verschiedenen Lagerstandorte liefern. Ausserdem befindet sich das Unternehmen dann in einem engen Korsett an Verpflichtungen, was Liefermengen und Lieferzeiten betrifft.

Um die Verkäufe von Vendoren anzukurbeln, sorgen die Plattformen dann aber auch eine bessere Sichtbarkeit der Unternehmen, z. B. indem die Artikel in «Markenshops» auf der Plattform herausgehoben werden. So kann die Marke wenigstens teilweise das Markenerlebnis steuern, verzichtet aber auf einen direkten Kundenkontakt.

Die Nutzung von Marktplätzen ist für Händler und Markenhersteller gleichermassen verlockend, dennoch sollte die Nutzung genau überlegt und durchgerechnet werden.

Philippe Mettler, Leiter Digital Commerce, Post CH AG

Philippe Mettler leitet das Team Digital Commerce bei der Schweizerischen Post und berät Kunden zu Themen rund um E-Commerce, Web und PIM. Er hat mit zahlreichen Kunden aus verschiedenen Branchen zusammengearbeitet und konnte so viel Erfahrung mit den Chancen und Herausforderungen rund um den digitalen Handel sammeln. Mit diesem Wissen hilft er unseren Kunden, sich im digitalen Reifegrad weiterzuentwickeln und erfolgreich im Digital Commerce zu agieren.

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