Connecta 2021 Recap – Von Chatbots und Econs im Marketing
Die Expertinnen und Experten der Connecta, die in diesem Jahr erneut rein digital stattfinden musste, haben sich mit den neuesten Trends und Entwicklungen beim Marketing beschäftigt. Wir fassen die wichtigsten Einsichten aus Connecta TV und dem Connecta Blog zusammen.
Chatbots – im Schweizer Retail noch eine Seltenheit
Sophie Hundertmark vom Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) hat sich eingehend mit der Entwicklung von Chatbots beschäftigt. Chatbots sind automatisierte Messenger-Kanäle, über die sich die Kundschaft etwa über den Facebook-Messenger oder Dienste wie WhatsApp an ein Unternehmen wenden kann. Die Expertin stellt fest, dass die meisten Handelsunternehmen der Schweiz bisher auf den Einsatz solcher Systeme verzichten. Angebote wie brack.ch, melectronics.ch oder microspot.ch offerieren zwar auf ihren Websites einen Live-Chat mit Mitarbeitenden aus dem Kundendienst, nutzen jedoch noch nicht die Vorteile beim Einsatz der Technologie. Da sind andere Branchen, z. B. die Finanzindustrie, schon etwas weiter. Hier beantworten diese Systeme bereits rund um die Uhr Routineanfragen, und zwar dann, wann immer die Kundinnen und Kunden dies wünschen. In ihrem Blogbeitrag verrät die Expertin, wie die Einführung von Chatbots gelingen kann.
Blogbeitrag Sophie Hundertmark
Vertrauen in Maschinen?
In diesem Zusammenhang untersucht Anna Rozumowski, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Marketing Management der ZHAW School of Management and Law, die wichtige Frage, ob und wie Vertrauen bei der Kommunikation zwischen Menschen und Maschinen aufgebaut werden kann. Chatbots gehören zu den am schnellsten wachsenden Kommunikationskanälen. Mehr als 67 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher hatten weltweit in den vergangenen 12 Monaten zumindest eine Interaktion mit einem solchen System. Im zwischenmenschlichen Kontakt wird Vertrauen durch die wahrgenommene Sympathie und die Kompetenz einer Person geschaffen. Doch wie sieht das beii einem digitalen Berater aus? Rozumowski sieht für den Vertrauensfaktor in Maschinen vier Schlüsselfaktoren: Kompetenz und Expertise des Chatbots, Menschlichkeit der Kommunikation, das Erscheinungsbild und die Benutzerfreundlichkeit.
KI kann mehr als nur kommunizieren
Die ersten Chatbots waren nicht mehr als einfache Algorithmen, die auf Schlüsselbegriffe reagierten. Bei diesem Ansatz wäre die Kommunikation schnell zu Ende. Erst künstliche Intelligenz verwandelt die Maschine in einen echten Gesprächspartner. Ingo Gächter, Forscher und Dozent für Digital Marketing und Data Science an der HSLU, stellte auf der Connecta eine faszinierende Entwicklung vor. Den «Woebot», der mittels KI und «Crowd-Intelligence» in der Therapie von Depressionen eingesetzt werden kann.
Der Mensch ist kompliziert – die «Econs»
Der Mensch ist ein emotionales Wesen. Er besitzt zwar eine Menge Fähigkeiten, Kenntnisse und eine Gefühlsseite – nur hilft das höchstens bedingt, um kluge Entscheidungen in Finanzfragen zu treffen. Wie lässt sich Finanzkompetenz (gerade bei jungen Menschen) entwickeln? Mit dieser Herausforderung beschäftigt sich Biljana Mladenovic, Data Scientist bei PostFinance, die das Projekt «Felix» vorstellt. Das System, das auch eine gesunde Portion «Gamification» nutzt, vermittelt auf einfache Weise mehr finanzielle Kompetenz und basiert auf dem Denkmodell der «Econs». Es beschreibt die Fähigkeiten, die wir Menschen benötigen, um in der komplizierten Welt der Finanzen besser zurechtzukommen. Gerade Banken können bei der Vermittlung dieser Fähigkeiten eine wichtige Rolle übernehmen . Biljana Mladenovic gibt ihren Lesern und Leserinnen einen tieferen Einblick in die Welt der «Econs» und in das Projekt.
Blogbeitrag Biljana Mladenovic
Wenn die Kundenbeziehung zur Fernbeziehung wird
Systeme wie Chatbots, die rund um die Uhr für die Kundschaft da sind, werden gern als Beispiele für absolute «Kundenzentrierung» angesehen. Aber was macht denn eine Zentrierung auf den Kunden aus? Das erklärt Jan-Erik Baars, Dozent der Hochschule Luzern, in einem Interview. Aus seiner Sicht geht es dabei nicht darum, die Kundschaft auf ein Podest zu stellen. Kundenzentrierung basiert auf echten Beziehungen und Dialog. Und, um bei der Analogie zu bleiben, gerade die Pandemie hat dazu geführt, dass aus dieser Beziehung eine Fernbeziehung wurde. Technik allein kann sie nicht aufrecht erhalten oder etablieren – es braucht auch den menschlichen Kontakt.
Dem dürfte zumindest ein Teil der Befragten einer Studie zu Kundenbeziehungen bei Banken recht geben. Nils Hafner von der Hochschule Luzern stellte die Ergebnisse dieser Befragung vor. Im Ergebnis lassen sich vier Hauptgruppen unterscheiden. Neben einem gewichtigen Teil der Kundinnen und Kunden, die ausschliesslich analog unterwegs sind, also in jedem Fall die Nähe einer Filiale suchen, greift der überwiegende Teil der Bankkundschaft auf digitale Lösungen zurück, wünscht sich dann aber auch konkrete Beratung bei speziellen Wünschen. Wie Hafner in seinem Interview betont, sind bei der Kundschaft gerade integrierte Lösungen gefragt. Einer seiner wichtigsten Ratschläge auch im Hinblick auf die Kundenzentrierung lautet, nicht das zu bauen, was die Bank selbst «smart» findet, sondern häufiger die Kundschaft selbst zu Wort kommen lassen.