Von Amazon lernen

Plattformökonomie Von Amazon lernen

Publiziert am 19.01.2021 von Andreas Wüthrich, Head of Digital Commerce Consulting, Post CH AG

Aktuell wollen viele Händler mehr aus ihren Onlineshops machen. Sie öffnen sich für andere Partner und wandeln sich so zu Plattformen oder Marktplätzen. Genügt das? Wie sehen die Erfolgsfaktoren der Plattformökonomie aus?

GAFA-Ökonomie: Die Abkürzung für Google, Apple, Facebook und Amazon wird gern als Synonym für den Gedanken einer Plattformwirtschaft verwendet. Der alles überstrahlende Börsenwert der Unternehmen elektrisiert ganze Branchen. Dazu gehört auch der Handel, der sich besonders an Amazon orientiert.

Die genannten Unternehmen sind aber nicht die einzigen Beispiele für Plattformen. Im asiatischen Raum gehört Alibaba dazu und in Europa wird der Zahlungsanbieter Klarna gerade zur Plattform.

Worin besteht der Kern der Plattformökonomie?

Ohne zu sehr auf betriebswirtschaftliche Theorien einzugehen, lässt sich die Plattformökonomie folgendermassen beschreiben: Die Unternehmen, die zur Plattform geworden sind, haben sich von der Denkweise eigener Produkte oder Services verabschiedet (oder sind diesem Gedanken gar nicht erst gefolgt).

Diese Unternehmen übernehmen die Vermittlerrolle und koordinieren die Beziehungen verschiedener Partner (Kunden, Lieferanten und sogar Wettbewerber). Das lässt sich am einfachsten an Google und am Beispiel des Verlagswesens zeigen.

Da sind auf der einen Seite die Medienproduzenten, die ihre Inhalte offerieren. Ihnen gegenüber stehen die Nachfrager, also die Menschen, die sich über aktuelle Inhalte informieren wollen. Google führt beide zusammen (sehr zum Leidwesen von Verlagen, aber das ist eine andere Diskussion). Und noch etwas fällt an diesem Beispiel auf: Google verdient an dieser reinen Transaktion, also der Dienstleistung Suchfunktion nichts.

Das führt direkt zur Frage, wie Amazon es eigentlich geschafft hat, so mächtig zu werden, und wieso es deshalb, unabhängig vom Geschäftsfeld schwer ist, gegen eine Plattform zu bestehen, wenn diese einmal eine kritische Grösse erreicht hat.

Wieso es gegen Amazon so schwer ist

Amazon wird in vielen Medienberichten nach wie vor fälschlicherweise als «Handelsgigant» bezeichnet. Die Wurzeln von Amazon liegen tatsächlich im Buchhandel. Gerade Titel aus den USA schnell und bequem nach Hause geliefert zu bekommen, hat die Kundinnen und Kunden in der Anfangszeit von Amazon in Deutschland begeistert. Und ja: Amazon verkauft auch nach wie vor Waren. Aber der Handel macht nur einen Bruchteil der Umsätze des Unternehmens aus.

Der klassische Händler kauft Waren ein, schlägt seine gewünschte Marge auf und verkauft dann mit (hoffentlich) einem Gewinn. Mit der Marge zahlt er auch seine Marketingkosten. Amazon ist einen anderen Weg gegangen. Schritt für Schritt hat das Unternehmen rund um sich immer weitere Services und Erlösquellen errichtet, die zum Umsatz beitragen.

Die Marge an einem Produkt spielt keine direkte Rolle mehr, weil letztlich die Umsätze auf alle Kundinnen und Kunden umgerechnet werden. Damit gelangt Amazon in Dimensionen, die das Unternehmen potenziell für Marketing ausgeben kann, gegen die kleinere Marktteilnehmer kaum bestehen können.

  • Amazon hat seine gewachsene Popularität dazu genutzt, Händlern zu erlauben, auf eigene Rechnung über die Plattform Produkte anzubieten (Marktplatz). Amazon partizipiert also lediglich an den Verkäufen. Inzwischen tragen die externen Händler deutlich mehr zum GMV bei als Amazon selbst.
  • Das Unternehmen stellt Teile seiner Infrastruktur, die ohnehin genutzt werden, für andere zur Verfügung und kann durch die Einnahmen die Services weiter ausbauen. Händler können ihre Produkte in den Lagerhäusern von Amazon einliefern und sogar von dort verschicken lassen (FBA). Inzwischen nutzen auch Grossunternehmen gern die Cloud-Infrastruktur (AWS) des Unternehmens – darunter auch solche, die an der einen oder anderen Stelle mit Amazon konkurrieren.
  • Damit Händler und Marken auf Amazon sichtbarer sind, können sie Anzeigen buchen, um auf sich aufmerksam zu machen (Amazon Advertising).
  • Und mit dem Kundenbindungsprogramm Prime besitzt der Konzern einen enormen Hebel. Wer Prime-Mitglied ist, kann Prime Video nutzen. Über Abonnements von «Channels» tragen die Kundinnen und Kunden dann doch wieder zum Umsatz bei.

Es spielt sich also alles rund um das Unternehmen und seinen Kundenzugang ab. Das ist Plattformwirtschaft in Reinkultur. Das Unternehmen ist mit allen seinen Serviceangeboten so attraktiv für die Nutzerinnen und Nutzer, dass rechts und links davon nur wenig Platz bleibt. Und wo ein klassischer Händler bei einer Jacke aus seiner Marge vielleicht 10 Franken für die Kundengewinnung ausgeben kann, liegt Amazon um ein Vielfaches höher. Und der Betrag wächst durch stets weitere Erlösquellen immer stärker.

Ein Marktplatz kann ein Schritt zur Plattform sein

Der Zugang zum Endkunden und die Monetarisierung von Serviceangeboten bilden den Kern des Plattformgedankens. Es ist unabsehbar, dass der schwedische Zahlungsdienstleister Klarna exakt diese Strategie verfolgt. Klarna hat sich zunächst auf die Abwicklung von Transaktionen spezialisiert, die von Banken wenig beachtet wurden. Danach kamen erste nahe Produkte wie der aus Händlersicht risikolose Rechnungskauf für den Kunden, denn der Händler erhält sein Geld, der Kunde zahlt an Klarna. Anschließend wurde der Ratenkauf hinzugenommen. Und aktuell gibt es in der Klarna-App einen eigenen Shoppingbereich, in dem die Nutzerinnen und Nutzer Angebote von Händlern finden, die mit Klarna zusammenarbeiten, aber stets im Umfeld von Klarna selbst. Hier beginnt also jemand, sich zwischen die Endkunden und Händler zu schieben.

Der Erfolg von Plattformen leuchtet ein und inspiriert. Drei Dinge sind zu bedenken:

  1. Ohne eine durchgängige Digitalisierung von Prozessen und Techniken geht es nicht. Sie bildet nicht nur die Grundlage für Services, sondern auch die Basis für eine Skalierung des gesamten Modells, also die Schaffung von mehr Ressourcen ohne exorbitanten Anstieg der Fixkosten.
  2. Der Markt verändert sich – auch Amazon scheint irgendwann seinen Höhepunkt zu erreichen. Dies wird dann geschehen, wenn die Kernversprechen (wie zum Beispiel der Service) nicht mehr im Vordergrund stehen. Dadurch ergeben sich in Zukunft möglicherweise Chancen für den Handel.
  3. Es gibt keinen Königsweg, wie eine Plattform entsteht. Welche Serviceangebote bzw. welche Ideen sich dafür eignen, muss jedes Unternehmen für sich selbst herausfinden.

Die Öffnung des eigenen Shops für Dritte, also die Eröffnung eines Marktplatzes, kann ein erster Schritt auf diesem Weg sein. Aber danach muss es mit kreativen Ideen weitergehen, denn der Marktplatz allein macht noch keine Plattform, wie das Beispiel Amazon zeigt.

Andreas Wüthrich

Andreas Wüthrich arbeitet seit August 2018 bei der Schweizerischen Post in der Abteilung Competence Center Digital Commerce als Head of Digital Commerce Consulting. Zuvor war er 14 Jahre bei der Dosenbach-Ochsner AG für die strategische Entwicklung der digitalen Vorhaben, die Operationalisierung und den Aufbau der Organisation verantwortlich.

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