Nachgefragt bei Manor

Manor arbeitet intensiv an der Digitalisierung des Geschäfts. Ein besonders bemerkenswerter Schritt ist dabei sicher die Öffnung des Online Shops als Marktplatz. Seit einigen Monaten werden neben den eigenen Produkten auch Artikel von Markplatzpartnern auf «manor.ch» angeboten. Wir haben mit Luca Bordin, Product Owner Markplatz bei Manor über den Rollout und die ersten Erfahrungen mit dem Angebot sprechen können.

Es gibt nicht viele Lancierungen von Marktplätzen. Es ist in den letzten Jahren nicht oft gelungen, neue Marktplätze in der Schweiz erfolgreich aufzubauen. Warum ist es bei Manor anders?

Natürlich haben wir uns bei Manor mit dieser Frage intensiv auseinandergesetzt. Am Ende haben für uns aber die Vorteile überwogen. Für uns ist die weitere Digitalisierung unseres Geschäfts ein zentrales, strategisches Ziel für die nächsten Jahre. Die Einführung des Marktplatz-Modells wird dazu beitragen dieses Ziel zu erreichen.

Wichtige Voraussetzungen, um erfolgreich in Richtung Marktplatz zu expandieren sind Relevanz und Reichweite. Manor hat in der Schweiz eine starke Markenbekanntheit und erreicht durch das Filialnetz und durch den Online-Shop eine grosse Anzahl an Kundinnen und Kunden. Somit ist eine gute Basis für das Erreichen von positiven Netzwerkeffekten, welche entscheidend für den Nutzen eines Online-Marktplatzes sind, vorhanden.

Auch sonst sind wir uns sicher, gut für den Schritt aufgestellt zu sein. Wir haben in den Warenhäusern teilweise durch die Shop-in-Shop Konzepte auch eine Art «Offline-Marktplatz». Zudem verfügen wir über ein breites Sortiment in verschiedenen Kategorien. Dies erlaubt es uns, das Marktplatz-Modell schnell zu skalieren. Generell ausgedrückt verkörpert Manor bereits eine marktplatzähnliche DNA.

Was sind die wichtigsten Ziele die Sie sich mit dem Marktplatz gesteckt haben?

Wie erwähnt ist es ein Teil unserer Digitalisierungsstrategie. Wir wollen den online erwirtschafteten Umsatz klar steigern und unsere Kundinnen und Kunden über alle Channels optimal bedienen können.

Das Marktplatz-Modell hat viele Vorteile. Zum einen ist es wie erwähnt eine Möglichkeit, sortimentstechnisch schneller zu wachsen. Zudem erlaubt es das Modell, noch mehr in die Sortimentstiefe zu gehen. Auch wichtig zu erwähnen ist die Möglichkeit, neue Sortimente zu testen. Es ist denkbar, dass Manor über den Marktplatz auch komplett neue Kategorien anbieten wird, welche zu Manor passen aber online noch nicht im Sortiment geführt werden. Am Ende geht es darum unseren Kundinnen und Kunden ein noch umfassenderes und inspirierendes Sortiment anzubieten.

Was ist euch wichtig bei der Auswahl von Markplatz-Partnerinnen und -Partnern?

Manor definiert sich nicht als komplett offener, aber auch nicht als extrem selektiver Marktplatz. Die Partnerinnen und Partner sollen grundsätzlich zur Sortimentspolitik von Manor passen.

Wir haben uns aber zu Beginn auf Unternehmen fokussiert, die bereits Marktplatzerfahrung haben und die über ein eher grosses Produktsortiment verfügen. Es war für uns anfangs wichtig, ein gesundes Verhältnis zwischen Integrationsaufwand und Umsatzpotenzial zu haben. Marktplatz-Partnerinnen und -Partner müssen im Prinzip nur gewisse Basisanforderungen erfüllen und zudem in der Lage sein, die Service Level Agreements von Manor einzuhalten. Sämtliche Anforderungen die wir an unsere Partnerinnen und Partner stellen sollen weniger Hürden sein, als vielmehr ein positives Kundinnen- und Kundenerlebnis auf der Plattform sicherstellen. Die Attraktivität der Plattform hat dann wiederum einen positiven Effekt auf das Umsatzpotenzial unserer Partnerinnen und Partner.

Wir waren positiv überrascht zu sehen, dass das Interesse für eine Integration auf dem Manor Marktplatz zu Beginn schon gross war und in den letzten Wochen nochmals deutlich gestiegen ist. Zudem sprechen wir auch mit langjährigen Lieferantinnen und Lieferanten um zu prüfen ob es Sinn macht, in Zukunft in einem hybriden Modell zusammenzuarbeiten.

Die Anbindung der Partnerinnen und Partner ist bei Marktplätzen ja oft eine Herausforderung. Nicht alle sind in der Lage Produktinformationen in Topqualität zu liefern oder tun sich bei der Umsetzung von Schnittstellen schwer. Wie stellt ihr sicher, dass sowohl die Einfachheit für eure Partnerinnen und Partner wie auch die Datenqualität stimmt?

Die Anbindung von Partnerinnen und Partnern ist ein zentrales Thema für unser Marktplatz-Team. Wir setzen dabei auf die Best-in-Class Technologie von Mirakl. Unsere Business Development Manager helfen ihnen bei der Integration. So können wir mehrere Arten von Datentransfer anbieten: von der manuellen Pflege zum semi-automatischen Import via CSV oder Excel bis zur Integration mittels Schnittstelle für den vollautomatischen Import der Daten. Viele Marktplatz-Partnerinnen und -Partner, besonders die grossen und erfahrenen Marktplatz-Händlerinnen und -Händler, möchten nicht nur die Produktdaten über Schnittstellen integrieren, sondern auch die Abwicklung der Bestellungen komplett automatisiert durchführen. Auch dies ist möglich und wir haben schon einige Integrationen erfolgreich durchgeführt.

Die Produktdatenintegration nimmt dabei einen besonders wichtigen Platz ein. Als Teil des Integrationsprojektes helfen wir unseren Partnerinnen und Partnern dabei, ihre Produktstruktur (Kategorien, Attribute und Attributwerte) mit unserer Struktur zu verknüpfen. Ist dieser Prozess abgeschlossen, können die Partnerinnen und Partner Produkte einfach und regelmässig auf der Plattform integrieren. Natürlich haben wir auch einen Qualitätssicherungsprozess um sicherzustellen, dass die Produktdaten, welche schlussendlich im Webshop angezeigt werden, unseren Richtlinien entsprechen.

Wie stark nehmt ihr Einfluss auf die Angebote von Marktplatz-Partnerinnen und -Partnern, beispielsweise im Bereich der Preise?

Partnerinnen und Partner auf dem Manor Marketplace geniessen bezüglich den Verkaufspreisen, wie dies in einem Marktplatz-Umfeld üblich ist, hundertprozentige Freiheit. Sie bestimmen die Preise selber und entscheiden auch wann und für wie lange sie Produktpreise reduzieren möchte. Auch bezüglich der Versandkosten schreiben wir ihnen nichts vor. Sie können selber bestimmen ob sie Gratisversand anbieten, einen Mindestbestellwert eintragen möchten oder ob sie eine Pauschale für den Versand verlangen. Nur bei der Lieferfrist müssen sie in der Lage sein, innerhalb der von uns festgesetzten Fristen zu liefern. Zudem dürfen bei Lieferungen von ausländischen Partnerinnen und Partnern keine separaten Verzollungskosten auf die Endkundinnen und Endkunden abgewälzt werden. Dies verlangen wir um eine hohe Zufriedenheit der Kundschaft zu gewährleisten.

Ihr habt den Marketplace als MVP (Minimum Viable Product) eingeführt. Wie ist der Stand und was kommt als nächstes?

Wir haben den Marktplatz im Februar dieses Jahres als MVP gelauncht und sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Wie es für einen MVP üblich ist, beinhaltet es nicht alle Features die wir für unseren Marktplatz langfristig geplant haben. Konkret arbeiten wir aktuell daran, die zwei sehr stark nachgefragten Bezahlmethoden «Kauf auf Rechnung» und TWINT auch für unsere Marktplatz Warenkörbe anbieten zu können.

Grössere Omnichannel Themen wie z.B. Click and Collect (Abholung der Partner-Produkte in einem Warenhaus) stehen ebenfalls auf der Roadmap. Dies ist insofern wichtig, als dass wir den Marktplatz zu 100% in die Manor Omnichannel Vision integrieren möchten.

Welchen Einfluss hatte Corona auf die Entwicklung des Marktplatzangebots?

Zum einen stellte Corona, besonders während des ersten Lockdowns, eine zusätzliche Herausforderung für das Projekt dar. Wir mussten für eine kurze Zeit sämtliche Kosten auf ein Minimum reduzieren, was leichte Auswirkungen auf den geplanten Go-Live hatte. Andererseits wurde durch Corona die Digitalstrategie nochmals bekräftigt und die Wichtigkeit des Marktplatzprojektes erhöht. Das Vorhaben hat auch mehr interne Aufmerksamkeit erhalten und durch die externe Kommunikation wurden viele Partnerinnen und Partner auf unser Marktplatz-Geschäft aufmerksam.