Künstliche Intelligenz sieht, hört, heilt und droht

Digitalisierung Künstliche Intelligenz sieht, hört, heilt und droht

Publiziert am 08.09.2021 von Ingo Gächter, Forscher und Dozent für Digital Marketing und Data Science, Hochschule Luzern HSLU

Künstliche Intelligenz (KI) sieht, hört und führt Menschen mit Hilfe von Recommender-Systemen (RS). Das beeinflusst unser Verhalten signifikant: eCommerce, Reisen, Finanz und Sport werden neu erfunden. Kognitive Therapie-Apps sind im Vormarsch und versprechen mentale Heilung (z. B. Anti-Depression).

Künstliche Intelligenz ist in aller Munde, obwohl sich nur wenige Menschen vorstellen können, wie KI ihr Leben in den kommenden Jahren verändern wird. Chatbots, Voice-Assistants und Recommender-Systeme sehen, hören und heilen Menschen mit Augen, Ohren und Sensoren aus KI. Nachdem Online-Riesen wie Alipay, Amazon oder Google das disruptive Potenzial dieser neuen Technologien längst bewiesen haben, vertrauen Menschen jetzt immer häufiger KI, die sie heilen soll oder die ganz einfach ein bequemeres und glücklicheres Leben verspricht.

Brian Chandler, 22 Jahre, erleidet eine weitere Angst-Attacke . Wir schreiben das Jahr 2021. Spitäler und Psychiater sind übervoll: Covid-19 füllt die Intensivstationen und die seit Kurzem doppelte Anzahl an Menschen mit Depressionen überfordert die Kapazitäten von Psychiatern. Kein freier Termin. Verständlich, einer von fünf Menschen hat während der Pandemie eine Depression erlebt (Office for National Statistics, 2021). Nachdem Brian kein offenes menschliches Ohr gefunden hat, sieht er seine letzte und einzige Chance in einer App (The Telegraph, 2021). Als die nächste Angst-Attacke zuschlägt, öffnet Brian eine «Bot-Therapie»-App namens Woebot (wörtlich etwa: «Leid-Roboter») und hofft dort auf offenere Ohren.

Woebot heisst User «Willkommen in der Zukunft geistiger Gesundheit»

Menschen, die unter ähnlichen Problemen wie Brian leiden, bestätigen die Wirksamkeit der kognitiven Verhaltenstherapie-App und sprechen von einem glücklicheren Leben mit weniger Stress. Obwohl Brian weiss, dass die Konversation mit Woebot ein Gespräch mit Algorithmen aus KI sein wird, probiert er es sofort aus. Und siehe da: «Ich war überwältigt, wie viel besser ich mich unmittelbar danach fühlte» (The Telegraph, 2021), wundert sich Brian selbst. Das Ohr aus KI hat nicht nur funktioniert, sondern ist auch 24/7 verfügbar und dazu noch ziemlich günstig.

KI-Therapie ist auf dem Vormarsch

Nutzer schreiben (oder sprechen) mit einem Chatbot, mit dem sie ihre Gedanken oder ein Gefühl teilen. Der Chatbot antwortet im Augenblick mit einer Empfehlung oder hört zu, während er weitere Fragen stellt. Die Antwort basiert auf KI-Technologie, die in Sekundenbruchteilen berechnet, welches die wirksamste oder heilendste Antwort auf die Frage des Users sein könnte. Je mehr User die App nutzen, desto besser werden normalerweise die Antworten. Die Data Science Forschung am IKM der HSLU Wirtschaft erforscht das Potenzial und die Gefahren derartiger Technologien. KI nutzt menschliche «Crowd-Intelligence», lernt dabei und verbessert damit die Antworten der Maschine mit jeder weiteren Nutzung quasi von selbst.

Vertrauen trotz existenzieller Bedrohung?

Vertrauen spielt, ähnlich wie beim Fundraising mit neuen Blockchain- und KI-Technologien (Gächter 2021), auch bei Gesundheits- und Nachhaltigkeitsthemen eine zentrale Rolle. Vertrauen ist bei neuen Technologien selten einfach da, sondern muss erarbeitet werden. Zentral dafür sind eine ehrliche und authentische Kommunikation sowie ethische Standards, die eingehalten werden müssen. Forschung hilft dabei: Woebot basiert nach eigenen Angaben strikt auf Forschungsergebnissen und arbeitet mit führenden Forschungsinstitutionen (und menschlichen Therapeutinnen und Therapeuten) zusammen.

Biometrische und genetische Daten, die Menschen eindeutig identifizieren, gehören inzwischen zum Katalog der besonders schützenswerten Daten. Das hat Konsequenzen für KI-Anwendungen, die Technologien wie z. B. die Gesichtserkennung einsetzen. Auch in der Schweiz gibt es dazu «Künstliche Intelligenz»- Leitlinien vom Bund (SBFI, 2020). Dennoch werden Daten häufig missbraucht. Der herausragende Professor Stephen Hawking hat vor Jahren gesagt, dass denkende Maschinen unsere Existenz bedrohen würden und das Ende der Menschheit sein könnten. Auch der CEO von Tesla und Space X ,Elon Musk, fürchtet sich vor KI (BBC, 2014).

«Big Data Psychologie» sieht, hört und liest unsere Gedanken immer genauer.

Sensoren in Smartphone, Smart Watches, Autos u. a. nehmen schon kleinste Veränderungen in unserer Stimme oder unserem Gesichtsausdruck wahr und reagieren meist mit Empfehlungen, die unsere Bedürfnisse befriedigen oder Probleme lösen sollen. Laut Woebot leidet einer von fünf Menschen an einer Beeinträchtigung, die von einer mentalen Krankheit, von Medikamenten oder von Drogen verursacht wird. In solchen Zeiten ist der Hunger nach KI grösser denn je. Die Frage ist: Wie weit sollen wir uns vorwagen?

 


Die Connecta Bern wird auch im 2021 aufgrund der aktuellen Lage digital durchgeführt. Die Vielfalt der Digitalisierung, welche die Connecta auszeichnet, wird neben dem Connecta Blog in den Formaten Connecta TV und Connecta Talk aufgegriffen. Hier erfahren Sie mehr: www.post.ch/connecta.

 

Ingo Gächter, Forscher und Dozent für Digital Marketing und Data Science, Hochschule Luzern HSLU

Academic Board Member @Davos Digital Forum. Als langjähriger ehem. Google Partner leitet Ingo Gächter Forschungs- und Consulting-Projekte im Bereich «Smart Data Leadership», Digitalisierung und Artificial Intelligence. Zahlreiche Unternehmen und Startups vertrauen seinem Rat: SNB, Credit Suisse, BIS (Bank of International Settlements), NOVARTIS, Roche, deeptrue.com, YAPEAL.ch

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