KI im Handel – was bereits geht

Künstliche Intelligenz KI im Handel – was bereits geht

Publiziert am 30.03.2021 von Stephan Lamprecht, Journalist

Wohl kaum ein Thema hat den Handel in den vergangenen Jahren so elektrisiert wie die Entwicklung künstlicher Intelligenz und deren Einsatzmöglichkeiten. Wir zeigen Ihnen, was heute bereits geht.

Bevor die Corona-Pandemie das Geschehen und die Medien dominierte, tauchte der Begriff der künstlichen Intelligenz (KI) regelmässig in den (Fach-)Medien auf. Ohne KI keine Industrie 4.0, KI bildet den Kern autonomer Fahrzeuge und selbst Haushaltsgeräte sollen mittels KI immer smarter werden. Zeit für eine kleine Bestandsaufnahme unter dem Gesichtspunkt des Handels.

Nicht alles, wo KI draufsteht, ist auch «Intelligenz»

Eines der grössten Missverständnisse im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz ist der Begriff der «Intelligenz» darin. Es ist nur menschlich, dass wir dies direkt auf uns beziehen, also der Meinung sind, dass IT-Systeme agieren und denken wie wir. Dieses Missverständnis ist eine Konsequenz des wenig trennscharfen Begriffs, denn unter KI wird gleich ein ganzes Bündel von Methoden und Ansätzen verstanden. Dazu zählen das maschinelle Lernen und die Mustererkennung. Der Grossteil aktueller KI-Lösungen basiert genau darauf.

Beim maschinellen Lernen (ML) stellen die Systeme tatsächlich eigenständig Hypothesen auf und schlagen autonom Lösungen vor. Trifft die Hypothese ein, wird dies als «Wissen» übernommen. Beispiel: Aufgrund der aktuellen Wetterprognose schlägt die KI den Kundinnen und Kunden aus einer bestimmten Region Produkte vor, die zum Wetter passen. Werden diese tatsächlich verstärkt gekauft, überträgt die KI diese Erkenntnis auf zukünftige Ereignisse oder andere Regionen.

Musterkennung begegnet uns heute bereits im Alltag, wenn wir mit Chatbots kommunizieren, Sprachassistenten benutzen oder die Wortergänzung auf dem Smartphone einsetzen.

In beiden Teilbereichen hat die Technik in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte erzielt. Aber die Maschine, die so agiert und handelt wie ein Mensch, gibt es noch nicht.

KI im Handel: eine (unvollständige) Liste von Beispielen

Zu den spektakulärsten KI-Entwicklungen, die auch für die Kundschaft sichtbar sind, gehören ohne Zweifel die automatisierten Läden, die ohne Kasse und (augenscheinlich) ohne Personal auskommen. Während Amazon bei seinem Konzept «Go» auf KI, Kameras und Sensoren setzt, verlässt sich das Unternehmen Aifi völlig auf das maschinelle Lernen und Kameratechnik und hat jüngst seinen grössten Store (400 Quadratmeter) mit dieser Technologie in Betrieb genommen.

Etwas weniger aufregend erscheinen die smarten Einkaufswagen, wie etwa von Caper, die mit Sensoren und Kameras ausgestattet sind und die von den Kundinnen und Kunden entnommenen Waren beim Hineinlegen in den Einkaufswagen erkennen. sie vereinfachen somit das Self-Checkout.

Direkt im Laden beraten bei H&M in New York sprachgesteuerte Spiegel, die den Kundinnen und Kunden Alternativen zu den gewählten Stücken anbieten oder – wie im Fall von Asos – einen virtuellen Catwalk offerieren, den die Kundinnen und Kunden in den eigenen vier Wänden nutzen können.

Da wirken Systeme für das Dynamic Pricing fast schon ein bisschen wie Old School. Dabei läuft hier ohne KI fast nichts, wenn es sich nicht um einen einfachen Re-Pricer handelt. Was im Onlinehandel schon sehr häufig eingesetzt wird, erobert langsam auch die Fläche, etwa bei MediaMarkt-Saturn.

Auf der Fläche optimieren KI-Systeme die Personalplanung oder kümmern sich um das Energiemanagement, zum Beispiel «energyControl», das bei Breuninger mit vorausschauender KI die Energiekosten und den CO2-Ausstoss verringert.

Ein Beispiel für Mustererkennung ist der Voice-Commerce über Sprachassistenten oder in Form von Chatbots auf der Website des Händlers. Chatbot «LiA» ist etwa der direkte Draht zu Lidl. Bei Hit Sütterlin in Aachen fragen die Kundinnen und Kunden die Sprachassistentin Alexa nach besonderen Angeboten.

KI hilft auch bei der Sortimentsgestaltung. So arbeitet Zentrada mit KI, um mit Hilfe von selbstlernenden Algorithmen auch den angeschlossenen kleineren Einzelhändlern Hinweise auf ein besseres Sortiment zu geben.

Visuelle Produktsuchen, wie sie beispielsweise Amazon in seiner App einsetzt, sind ein weiteres Beispiel aus der Bilderkennung. Die Kundinnen und Kunden nehmen mit der Kamera des Smartphones ein Produkt auf, die KI versucht exakt diesen (oder einen sehr ähnlichen) Artikel zu finden.

Und schliesslich dürfen digitale Grössenberater nicht vergessen werden, die anhand von Angaben der Kundschaft und, sofern verfügbar, historischen Bestelldaten die optimale Passform ermitteln. Darüber freuen sich die Kunden und die Retourenquoten werden gesenkt. Ein Beispiel ist etwa der Fit-Finder von Otto. Modehändler Asos aus Grossbritannien nutzt KI etwa, um auf Basis der Kundendaten individuelle Produktempfehlungen, inklusive Passform, zu erstellen.

KI-Systeme spielen im Hinblick auf maschinelles Lernen und Mustererkennung auch ihre Vorteile im Check-out aus. In der Erkennung und Prävention von Betrügereien können KI-Systeme Entscheidungen schneller und präziser als der Mensch fällen und anhand der Daten den Zahlungsmix steuern, wie etwa das System Hybright von CRIF Bürgel.

Mit Unterstützung von KI verbessert der US-Händler Walmart in seinen Lagerhäusern und Logistik-Hubs das Picking bestellter Waren und optimiert die Auslieferung. KI verbessert die Auslastung der Fahrzeuge und minimiert die Anfahrtswege. Das ist gut für die Kostenseite, aber auch für die Umwelt.

KI auf dem Weg zum Mainstream?

Die Fortschritte der KI-Technologie sind beeindruckend. Und KI hat auch vielfach bereits in unser Leben Einzug gehalten, ohne dass wir uns dessen auch immer bewusst sind. Das sollte aber nicht zur falschen Annahme führen, dass KI nun auch zum Mainstream im Handel wird, denn die genannten Beispiele sind alles hochgradig an die jeweilige Situation des Unternehmens angepasste Lösungen. Mit wenigen Ausnahmen (z. B. Chatbots oder Dynamic Pricing) gibt es die KI-Lösung von der Stange nicht. Es ist also vielfach immer noch nötig, die Systeme individuell zu trainieren und einzurichten, was mit entsprechenden Kosten verbunden ist.

Die KI-Lösung für den kleinen Laden um die Ecke wird noch eine Weile auf sich warten lassen. Aber für grössere Unternehmen wird das Thema auf jeden Fall immer interessanter.

Stephan Lamprecht, Journalist

Stephan Lamprecht begleitet seit zwei Jahrzehnten als Journalist und Berater das E-Commerce-Geschehen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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