E-Commerce Kampf gegen die Retourenflut
Rücksendungen bleiben für den Onlinehandel ein grosses Problem. Das gilt insbesondere für das Fashion-Segment, denn dort sind die Rücksendequoten besonders hoch. Wie sich Händler dagegen wehren, zeigen wir in diesem Beitrag.
Das EHI beschäftigt sich regelmässig mit der Zahl der Rücksendungen im Onlinehandel. Und statistisch liegt das Modesegment seit Jahren deutlich über dem Durchschnitt – für Händlerinnen und Händler ein enormes Problem.
Aufwand, Kosten, Schäden
Die Geister, die er selbst gerufen hat, wird der Onlinehandel einfach nicht los. Nach wie vor werben viele Händlerinnen und Händler mit «kostenlosen» Retouren, die tatsächlich nur die Kundschaft nichts kosten. Denn der Händler oder die Händlerin übernimmt schlicht die Kosten für den (oftmals unnötigen) doppelten Transport. Teilweise gehören diese Ansichtsbestellungen ja auch zum Geschäftsmodell, wie beispielsweise bei Amazons Wardrobe. Vor diesem Hintergrund sollte sich also niemand wundern, dass die Kundinnen und Kunden das Serviceangebot intensiv nutzen und in ihre Kaufgewohnheiten übernommen haben. Teilweise berichten Modehändler von einer Retourenquote von 50 Prozent. Jeder Prozentpunkt weniger bedeutet also einen enormen Hebel in Richtung mehr Wirtschaftlichkeit.
Denn Retouren (ob freiwillig eingeräumt oder von der Kundschaft einfach genutzt) verursachen enorme Aufwände und damit Kosten. Angefangen von den doppelten Gebühren für den Transport muss die Ware kontrolliert, eventuell aufbereitet und danach wieder in die Warenwirtschaft eingegliedert werden – von den versteckten Kosten für uns alle im Hinblick auf Klimaschäden gar nicht erst zu reden. Schlimmstenfalls lässt sich die zurückgeschickte Ware gar nicht mehr verkaufen und muss abgeschrieben werden.
Mit Hightech gegen die Retouren
Belastbare Statistiken darüber, wie hoch der Anteil vorsätzlicher Retouren ist, also Fälle, in denen die Kundinnen und Kunden die Produkte «zur Ansicht» bestellen, gibt es nicht. Der häufigste Grund dürfte darin bestehen, dass das Produkt den Erwartungen nicht entsprochen oder nicht gepasst hat.
Ein Hebel, den Modehändler nicht unbeachtet lassen sollten, liegt also darin, Produktbeschreibungen stets weiter zu optimieren. Bessere Fotos, Rundumansichten und einfache Beschreibungen, die auch modische Fachbegriffe erklären, sind hier eine Option.
Nicht alle Bestellerinnen und Besteller in einem Modeshop sind auch Fashionistas und wissen auf Anhieb, was sie sich unter einer bestimmten Farbbezeichnung vorzustellen haben oder wie sich eine Schnittform tatsächlich auswirkt.
Es bleibt allerdings das leidige Thema Passform. Und das lässt sich leider nicht so schnell aus der Welt schaffen. Grundsätzlich verfolgen Modehändler hier verschiedene Strategien.
Unternehmen wie Presize, FitAnalytics oder auch Fision aus Zürich bieten Modehändlern ihre Dienste an. Ihnen gemeinsam ist, dass sie im Hintergrund auf KI-basierte Rechenmodelle zurückgreifen, um die optimale Grösse für die Kundschaft zu ermitteln. Die technischen Ansätze sind sehr verschieden. Die Kundinnen und Kunden müssen sich teilweise mittels eines «Selfies» mit dem Smartphone vermessen oder aber im Shop einige Fragen zu ihren Massen und ihrer Figur beantworten. Die Programme ermitteln dann ein Rechenmodell, das historische Daten, die Rücksendungen, Kundenfeedbacks und Massangaben der Hersteller kombiniert, um daraus die optimale Grösse zu empfehlen.
Auf KI und maschinellem Lernen basieren teilweise auch Eigenlösungen der Händlerinnen und Händler selbst. Hier werden dann eher die Angaben der Retourengründe ausgewertet und mit den Gesamtdaten in Beziehung gesetzt. So setzt das zu Otto gehörende BonPrix in seinem Shop eigene KI-Modelle ein, um die optimale Grösse anzubieten.
Hier können bereits Kleinigkeiten grosse Wirkung entfalten, denn auf Basis der Kundenhistorie lässt sich ablesen, dass die Person bereits häufiger Modelle eines bestimmten Herstellers zurückgesendet hat, weil die Passform nicht gefiel. In diesem Fall könnte der Shop darauf so reagieren, dass die Produkte dieses Herstellers bei einer Suche nicht oben auf der Trefferliste landen.
Oder das Kundenverhalten steuern?
Da es betriebswirtschaftlich keine kostenlosen Retouren gibt, bestünde die einfachste und naheliegendste Lösung für das Problem darin, die Rücksendungen mit einer Gebühr zu versehen. Ein Schritt, den die meisten Händlerinnen und Händler aber nach wie vor scheuen werden – aus Sorge vor den Mitbewerbern, die die Retouren weiterhin gratis anbieten. Dabei hätte beim wachsenden Interesse am Thema Nachhaltigkeit gerade das Argument Klimaschutz Gewicht.
KI-Technologien und Grössenberater auf Basis von Software kratzen aktuell noch an der Oberfläche im Bereich des Seizing. Für jeden (Mode-)Händler aber bereits heute nutzbar und nicht teuer ist der Versuch, das Verhalten der Kundschaft zu lenken.
Damit die Kundschaft sich nicht bestraft oder gar bevormundet fühlt, werden Retouren zwar nicht mit einem Preis versehen, dafür aber Kundinnen und Kunden belohnt, die wenig zurückschicken. Hier sind der Fantasie der Händlerinnen und Händler wahrlich keine Grenzen gesetzt. Ob Versandkostenfreiheit für einen bestimmten Zeitraum oder Rechnungsgutschriften: Solche Belohnungen können ihren Teil dazu beitragen, aktiv etwas gegen die Retourenflut zu unternehmen.
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