Das Internet of Humans (IoH)

Digitalisierung Das Internet of Humans (IoH)

Publiziert am 16. Februar 2021 von Katrin-Cécile Ziegler, Digital Economist, TEDxSpeakerin und Dozentin für Neuroethik an der HWZ

Kennen Sie den intelligenten, sprechenden Hut von Harry Potter? Er kann die Gedanken und Charakter seiner Träger lesen und trifft für sie Entscheidungen. In der Neurotechnologie forscht man bereits an solchen Vorhaben und spricht von Brain-Computer-Interfaces (BCI), d.h. Schnittstellen, die unser Gehirn lesen, analysieren und mit dem Internet verbinden.

Es klingt nach Science-Fiction, doch vom «Internet of Humans» sind wir nicht mehr weit entfernt. Brain-Computer-Interfaces werden unser alltägliches Leben und die Art, wie wir Entscheidungen treffen, ganz sicher stark verändern.

Derzeit konzentriert sich die BCI-Forschung hauptsächlich auf medizinische Anwendungen. Manche sind bereits stark etabliert, wie z. B. Gehörimplantate oder BCIs zur Behandlung von Schlaganfällen, Depressionen oder Parkinson. Vielleicht haben Sie auch schon von Neuralink, dem neusten Projekt von Elon Musk gehört, der uns mit einem Hightech-Roboter einen intelligenten Chip ins Gehirn implantieren möchte, um Rückenmarksverletzungen zu behandeln und irgendwann auch unser Gehirn upzuloaden.

Mit zunehmender Reife der Technologien wird eine kommerzialisierte Marktdurchbrechung von BCIs im privaten Sektor jedoch immer naheliegender. In der Tat wäre es nur die Fortsetzung eines Prozesses, der bereits begonnen hat und den GAFA und diverse Start-ups längst verfolgen. Das Ziel: neue, noch präzisere Daten und Geschäftsmodelle. Die vielversprechendsten Anwendungen liegen besonders im stark wachsenden Gaming-Bereich und im E-Commerce.

Am 30. Juli letzten Jahres kündigte der chinesische Handelskonzern Alibaba mit dem Neurotechnologie-Unternehmen NeuraMatrix ohne grosse internationale Aufmerksamkeit ein neues Patent an: Neurabuy, ein invasives Brain-Computer-Interface. Entwickelt wird es für Taoboa, die grösste E-Commerce-Plattform Chinas. Ein Hightech-Produkt, das «das Einkaufen erleichtert und voraussichtlich im nächsten Jahrzehnt im Onlineshopping angewendet wird», berichten chinesische Medien.

Doch was kann es und wie funktioniert es? Laut beteiligten Neurowissenschaftlern ist das BCI in der Lage, die Bedürfnisse der User noch besser an die Plattform zu kommunizieren und Kundenwünsche hochpräzise zu analysieren. Der gesamte Kaufprozess wird mit nur einem Gedanken abgeschlossen. Ohne Computer. Ohne Mobilgerät. Allein durch Aufruf des Tabao Idea Purchase-Systems in Gedanken. Kein Einloggen, keine Zahlungsdetails – Neurabuy erledigt das für Sie.

Wie weit die Technologie bereits entwickelt ist oder wie realistisch die Umsetzung (auch unter gesundheitlichen Aspekten) funktionieren kann, das bleibt offen. Im Hinblick auf den derzeitigen Stand der internationalen BCI-Forschung ist es jedenfalls nur sehr eingeschränkt möglich, Gedanken oder einzelne Wörter zu lesen. Nichtsdestotrotz hat Neurabuy beim 5. Taoboa Maker-Festival (quasi die chinesische Oscar-Verleihung für die innovativsten Technologien) für Aufsehen gesorgt und wurde in die bedeutendsten Zukunftstrends aufgenommen.

Bei aller Begeisterung für Innovation – die Vorstellung, dass wir unsere Einkäufe künftig nur noch in Gedanken ausführen, wirft auch zahlreiche Ethik- und Datenschutz-Fragen auf. Selbst in China führte die angekündigte neue Technologie zu heftigen Kontroversen. Darum ist es wichtig, dass wir uns frühzeitig mit solchen Entwicklungen befassen und noch vor einer Marktdurchdringung verantwortungsvoll Weichen stellen. Wie weit wollen wir diesmal gehen? Was geben wir dabei von uns preis? Was gewinnen wir – und was verlieren wir? Und nicht zuletzt: Macht Shopping ohne Hürden überhaupt noch Spass?

Für so einige Neurotechnologen steht heute schon fest: BCIs werden Smartphones bis 2030 ersetzen. Mit einem eigenen, proprietären und exklusiven Marktplatz für Anwendungen bei Drittanbietern, die Lösungen für BCI-Plattformen entwickeln und Apps im E-Commerce vollständig verdrängen.

Bis dahin klingt das BCI von Alibaba allerdings noch wie ein interessanter Aluhut.

Katrin-Cécile Ziegler moderierte im Rahmen der virtuellen Connecta das Format Connecta TV.

Katrin-Cécile Ziegler, Digital Economist, TEDxSpeakerin und Dozentin für Neuroethik an der HWZ

Katrin-Cécile Ziegler ist Digital-Ökonomin, Keynote-Speakerin, Moderatorin und mehrfache Medienpreisträgerin. Als Dozentin lehrt sie Digital Management und Neuroethik, u.a. an der Hochschule für Wirtschaft Zürich. Sie ist Botschafterin der EUROPEAN DIGITAL SOCIETY (Brüssel) und zählt zu den Top-1% im LinkedIn-Index (SSI) mit über 11 500 Followern aus der Digital- und Wirtschaftsbranche.

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