Intelligenter Einzelhandel

Retail Intelligenter Einzelhandel

Publiziert am 05.08.2021 von Prof. Dr. Gerrit Heinemann, Leiter eWeb Research Center der Hochschule Niederrhein Mönchengladbach

Zunehmend wird deutlich, dass die Prognosen für die nächsten zehn Jahre Ende 2021 bereits eingetreten sein werden – sofern die Pandemie nicht weitergeht. Niemand will, dass der stationäre Einzelhandel verschwindet und die Innenstädte veröden.

Allerdings stimmen die Bürgerinnen und Bürger mit den Füssen und zunehmend mit dem Daumen ab. Wenn sie sich gegen den innerstädtischen Einzelhandel entscheiden, dann gibt es dafür Gründe. Aber völlig abgeschrieben werden sollte der stationäre Einzelhandel keinesfalls. Er muss sich nur neu erfinden. Was er dafür tun kann, zeigt prägnant der Begriff des «Intelligent Retail» auf. Es geht darin um die fünf zentralen Themen, die den Handel der Zukunft prägen. Zuallererst sind die (1.) Basisvoraussetzungen zu schaffen, die ein datenbasiertes Arbeiten ermöglichen. Dieses wiederum ermöglicht den (2.) Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) und damit kundendatenbasiertes One-to-One-Marketing. Um damit überhaupt arbeiten zu können, bedarf es einer (3.) intelligenten Mitarbeitendenqualifizierung und -rekrutierung. Qualifizierte Mitarbeitende werden auch für eine (4.) digitale Supply Chain sowie die (5.) zukunftsfähige Geschäftsmodellierung inklusive Entwicklung von Smart Stores benötigt.

Basisvoraussetzung für einen intelligenten Einzelhandel sind vor allem systemtechnische und organisatorische Aspekte. Ohne performante Warenwirtschafts- und Kassensysteme, die es eigentlich schon seit den sechziger Jahren gibt, können keine gültigen Produktverfügbarkeiten angezeigt und auch keine effiziente Bestandsführung ermöglicht werden. Sind performante Systeme im Einsatz und können Daten generiert werden, heisst das noch lange nicht, dass intelligente Kundendaten erhoben werden. Was im Onlinehandel schon Gang und Gäbe ist, stellt sich im stationären Einzelhandel als das wohl grösste Hindernis dar. Aber nur mit eigenen und identifizierbaren Kundeninformationen lässt sich künstliche Intelligenz sinnvoll an der Kundenfront einsetzen. Der Einsatz künstlicher Intelligenz erfordert den Einsatz intelligenter und hochqualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Von dem historischen Paradigmenwechsel, der als «grosse Transformation» bezeichnet werden kann, ist der Handel an einigen seiner heutigen Kernkompetenzen besonders stark betroffen. Zu den wichtigsten Schwachstellen gehört seine in vielen Studien immer wieder nachgewiesene, geringe Attraktivität als Arbeitgeber für qualifizierte Arbeitskräfte. Gleichzeitig hat der Handel aber sehr gute Chancen, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren, wenn er durch geschicktes Employer Branding seinen digitalen Bedarf sichtbar macht. Digitale High-Potentials, die es gerne zu Zalando und Amazon zieht, werden auch für eine Digitalisierung der Supply Chain benötigt. Zukunftsfähige Geschäftsmodelle bis hin zur Entwicklung von intelligenten und durchdigitalisierten Smart Stores bedeuten für stationäre Händlerinnen und Händler vielfach einen Kulturschock.

Eines ist klar: Der stationäre Einzelhandel hat eine Zukunftschance, wenn er sich neu erfindet. Im Handel der Zukunft werden vor allem intelligente Systeme benötigt, die er bisher überwiegend nicht nutzte. Auch lokale Einzelhändlerinnen und Einzelhändler müssen heute datenbasiert arbeiten, was bisher kein grosses Thema war. Sie müssen ihre Geschäftsauffassung von produktzentrischen hin zu konsumentenzentrischen Geschäftsmodellen ändern, bei denen das ultimative Kundenerlebnis im Vordergrund steht.

 


Die Connecta Bern wird auch im 2021 aufgrund der aktuellen Lage digital durchgeführt. Die Vielfalt der Digitalisierung, welche die Connecta auszeichnet, wird neben dem Connecta Blog in den Formaten Connecta TV und Connecta Talk aufgegriffen. Hier erfahren Sie mehr: www.post.ch/connecta.

 

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Prof. Dr. Gerrit Heinemann, Leiter eWeb Research Center der Hochschule Niederrhein Mönchengladbach

Prof. Dr. Gerrit Heinemann, geboren 1960 in Osnabrück, leitet das eWeb Research Center der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach, wo er auch BWL, Managementlehre und Handel lehrt. Nach fast 20-jähriger Handelspraxis begann er 2005 seine Hochschullaufbahn.

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