Der Preis ist mehr als Kalkulation

E-Commerce Der Preis ist mehr als Kalkulation

Publiziert am 18.05.2021 von Stephan Lamprecht, Journalist

Die Preisfindung gehört zum Alltag im Handel. Es ist stets das gleiche Spiel: Die Kundinnen und Kunden wollen nicht zu viel für ein Produkt bezahlen, die Händler aber den besten Preis erzielen. In diesem Beitrag lesen Sie, was bei einer Preisstrategie eine Rolle spielt.

Die Preisfindung ist auf den ersten Blick nur kaufmännisches Rechnen, basierend auf dem Einkaufspreis eines Produkts. Und das ist auch die wichtigste Grundlage, denn nur wer die eigenen Kosten kennt, kann auch kostendeckend und mit Gewinn verkaufen. Aber eine Preisstrategie ist mehr als reine Arithmetik. Sie muss gerade im digitalen Handel auch externe Faktoren berücksichtigen, und eine gute Portion Psychologie gehört auch dazu.

Eine Frage der Preisakzeptanz

An besonders kalten Tagen steigen die Preise für Brennmaterial. Setzt der Reiseverkehr ein, muss an der Zapfsäule mehr für das Benzin gezahlt werden. In beiden Fällen geht es darum, den Profit für eine Ware zu erhöhen. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt, denn der Preis für eine Sache bewegt sich in einem engen Korridor. Die Kundinnen und Kunden besitzen durchaus Vorstellungen davon, was ihnen ein Produkt «wert» ist. Die Preisakzeptanz bewegt sich zwischen den Extremen «zu teuer» und «zu billig».

Der Preis, den ein Händler für eine Ware verlangen kann, hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab, zum Beispiel:

  • Zeitliche Faktoren (Monatswechsel mit den Gehaltszahlungen, Feiertage usw.)
  • Regionale Faktoren
  • Wetter (Mode!)
  • Lagerbestände
  • Preise der Konkurrenz
  • Saisonverlauf
  • Unternehmensziele
  • Echtzeitinformationen aus dem Shop, wie Klicks, Käufe, Warenkörbe
  • Einkaufspreise

Das muss alles berücksichtigt werden, damit das Produkt «marktgerecht» verkauft werden kann, ohne auf Geld zu verzichten.

Was zu einer Preisstrategie gehört

Systeme für das Re-Pricing und Dynamic Pricing versprechen Digitalhändlern wahre Wunderdinge. Doch in der Praxis genügt es bei den meisten Systemen nicht, diese einfach einzuschalten, um dann auf die Konkurrenz auf einem Marktplatz zu reagieren. Je mehr eine solche Software leisten kann, umso häufiger werden die Beraterinnen des Anbieters auch die Frage nach der Strategie des Händlers stellen.

Wichtige Themen, die dann berücksichtigt werden sollten, sind:

  • Longtail: Der Preis für Langsamdreher muss so verändert werden, dass zu jedem Zeitpunkt der optimale Ertrag aus den Verkäufen erzielt wird.
  • Markdown Pricing: Lagerbestand und potenzielle Abschriften von Produkten mit begrenzter Lebensdauer oder schnellem Wertverfall müssen besonders beachtet werden. Es gilt zu verhindern, Marge durch zu frühe oder zu hohe Preisnachlässe zu verschenken.
  • Umgang mit Produktbundles: Bundles sind eine gute Möglichkeit, um die Kauffrequenz und den Gewinn zu steigern. Sie bieten zudem den Vorteil, dass sie nicht ohne weiteres von der Konkurrenz kopiert werden können.

Der optimale Preis ist also auch eine strategische Entscheidung.

Die richtige Präsentation des Preises

Jetzt wird es psychologisch: Denn es ist erwiesen, dass auch die Art und Weise, wie ein Preis optisch präsentiert wird, eine Rolle bei der Kauflust spielt. Ein paar Beispiele aus der Trickkiste des Handels:

  • Stückzahlen reduzieren: das Spiel mit der Verknappung eines Gutes. Aus juristischen Gründen dürfen hier keine falschen Angaben gemacht werden. Aber es hat schon seine Gründe, dass im Verkaufsfernsehen und selbst bei Amazon ein Hinweis auf die «noch verfügbaren» Mengen gegeben wird.
  • Produkte aufladen: Wenn die Kundinnen und Kunden davon sprechen, ein Produkt sei zu teuer, können sie es sich schlicht nicht leisten, oder haben den Eindruck, zu wenig Gegenwert zu erhalten. Es lohnt sich dann, den Artikel emotional aufzuladen. Der Händler könnte eine Premium-Linie ins Angebot nehmen, die nur VIP-Mitgliedern zur Verfügung steht und «aus erlesenen Materialen» handgemacht wird. Ein Beispiel ist der Erfolg der vielen Uhrenmanufakturen, die letztlich ihre Produkte aus Standardkomponenten und millionenfach gefertigten Uhrwerken herstellen. Und trotzdem Preise verlangen können, die Schweizer Qualität entspricht.
  • Produktbundles funktionieren: Das können zusätzliche Komponenten sein, oder auch nur Produkte, die die Kundinnen und Kunden wahrscheinlich ohnehin nicht kaufen werden. Ein Klassiker aus dem Verlagswesen: Abonnement für E‑Paper 89 Franken, Printversion 139 Franken, Kombi-Abo aus Print und E-Paper 139 Franken. Bei diesem Angebot wird jemand die Printversion allein kaufen. Schliesslich scheint es für denselben Preis deutlich mehr zu geben. Dem ist zwar nicht so, aber dann ist es zu spät.
  • Raten anbieten: Auch das ist ein alter Hut, der auch im Shopping-TV genommen wird. Der Hightech-Staubsauger für 600 Franken? Bei sechs Raten zu 99 Franken wird das doch fast preiswert.
  • «Versteckte» Kosten zeigen: Sortenreinheit, handverlesene Zutaten, 100 Prozent faire Bedingungen – das sind alles unterschwellige Hinweise darauf, warum dieses Produkt mehr kosten darf.
  • Lieferkosten separieren: 14.95 Franken plus 3.95 für Versand und Verpackung, machen zusammen knapp 19 Franken aus. Aller Voraussicht nach wird dieses Produkt eher bestellt als der gleiche Artikel zu 19 Franken, der mit Gratisversand wirbt.
  • Der Schwellenpreis: Hier wird das Gehirn ausgetrickst. Wir lesen von links nach rechts, d. h., die ersten Ziffern bleiben nachhaltiger im Gedächtnis. Und so wird ein Artikel gleich viel attraktiver, wenn er 45 Rappen statt 50 Rappen kostet. Und bei einem Computer zu 1949 Franken drängt sich auch eher der Eindruck auf, ein Gerät für rund 1000 Franken erworben zu haben.
  • Rabatte richtig setzen: Erkenntnistheoretisch wird es bei Rabatten richtig interessant. Hier gibt es eine fast magische Schwelle beim Wert 100. Zwei Beispiele: Das Produkt kostet regulär 50 Franken, der Händler gibt 10 Franken Rabatt. Eine kluge Entscheidung ist es, hier den prozentualen Wert zu schreiben. Also 20 Prozent Preisnachlass. Der Spareffekt ist in beiden Fällen gleich, aber die 20 suggeriert offenbar mehr. Interessanterweise kehrt sich der Effekt aber bei grossen Zahlen um. 20 Prozent auf 2000 Franken ist aus Sicht der Kundinnen und Kunden weniger attraktiv, als gleich mit einer Ersparnis von 400 Franken zu winken. In der Fachliteratur hat sich hier die Schwelle von 100 etabliert. Liegt der Preis unter 100 Franken, ist es ratsam, mit prozentualen Nachlässen zu operieren. Bei grösseren Summen locken die absoluten Angaben mehr.

Den optimalen Preis zu finden: Es ist halt doch viel mehr als reine Kalkulation.

Stephan Lamprecht, Journalist

Stephan Lamprecht begleitet seit zwei Jahrzehnten als Journalist und Berater das E-Commerce-Geschehen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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