Social Commerce – echte Bedrohung für Amazon?

Social Commerce Social Commerce – echte Bedrohung für Amazon?

Publiziert am 01.09.2020 von Stephan Lamprecht, Journalist

Der Lockdown des öffentlichen Lebens hat zu enormen Zuwachsraten im Digitalen Handel geführt. Aber nicht nur dort brummen die Geschäft. Warum es jetzt an der Zeit ist, sich mit «Social Commerce» zu beschäftigen.

Adidas-CEO Kaspar Rorstedt hatte erwartungsgemäss für das zweite Halbjahr des Jahres schlechte Neuigkeiten zu verkünden. Wie bei allen Handelsunternehmen gingen die stationären Umsätze aufgrund des Lockdowns in den Keller. Im Finanzbericht des Konzern stach eine Zahl aber besonders heraus. Im Digitalen Handel konnte der Sportartikelkonzern ein sattes Plus von 93 Prozent vermelden.

Mit diesem zweistelligen Zuwachs des E-Commerce steht Adidas aber nicht allein. Über alle Branchen und Segmente hinweg boomte der Digitale Handel aufgrund der Ladenschliessungen.

An diesem wachsenden Geschäft wollen auch die Netzwerke im Internet partizipieren.

Von schicken Bildern zu harten Umsätzen

Instagram und Pinterest suchen seit rund zwei Jahren verstärkt nach Möglichkeiten, abseits von klassischer Werbung mehr Geld aus ihren Nutzerzahlen zu ziehen. Das Management der beiden Bildernetzwerke hatte es offenbar satt, nur zuzuschauen, wie andere ihren Profit aus der Kraft der Bilder schlagen. Denn von den teilweisen fürstlichen Honoraren, die Influencer für Produktvorstellungen kassieren, landete nichts bei den Plattformbetreibern.

Sukzessive binden die Netzwerke immer weitere Einkaufsoptionen in die Plattformen und Apps ein. Beiträge dort sollen «shopable» sein. Die Vision: vom visuellen Eindruck direkt zum Einkauf eines Produkts. Die aktuellste Entwicklung in diesem Bereich kommt von der Instagram-Mutter Facebook. Mit «Shops» bietet das Netzwerk den Händlern eine Funktion, Produkte zentral zu präsentieren, damit die Kunden sie direkt einkaufen können. Eine direkte Anbindung gerade an Shopsysteme, die in erster Linie von kleineren Händlern genutzt werden (z. B. Shopify) zeigt die Zielrichtung dieses Ansatzes.

Kunden suchen nach Inspiration

Die Bedeutung von «Social Commerce» ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen. Bekanntlich geht es beim Einkauf ja nicht allein um die Deckung des Bedarfs. «Shopping» ist Freizeitvergnügen: Allein oder gemeinsam mit Freunden suchen die Konsumenten nach Inspirationen und schönen Dingen. Und das tun sie nicht mehr nur in den Fussgängerzonen. Der klassische «Schaufensterbummel» verlagert sich in die digitale Welt.

Beim «Social Commerce» geht es stets um zwei Aspekte. Zum einen wollen die Kunden gern zeigen, wofür sie sich interessieren, was sie sich kaufen. Sie möchten vielleicht auch den Rat von Freunden und Bekannten einholen. Dies erklärt den Trend zu Ladeneinrichtungen und digitalen Touchpoints im stationären Handel, die von US-Experten gern als «instagramable Moments» charakterisiert werden. Etwa mit einer Ladengestaltung, die zur Aufnahme eines Selfies einlädt, wie es etwa die Kosmetikmarke Glossier vorgeführt hat. In die gleiche Richtung zielen auch Kiosksysteme und interaktive digitale Elemente wie virtuelle Anproben, die es dem Konsumenten erlauben, Bilder direkt auf sozialen Netzwerken zu teilen.

Die zweite Dimension von «Social Commerce» liegt im Verkauf über die Plattformen. Wenn die Kunden sich dort schon inspirieren lassen, warum sollten sie nicht auch direkt dort einkaufen? Ein Trend, dem sich auch Amazon schon seit längerer Zeit nicht mehr verschliesst. Bisher waren aber alle Bemühungen des Unternehmens in Sachen Social Commerce mehr oder weniger erfolglos. Der US-Konzern tut sich hier schwer. Ob die neuen Videofunktionen für das Influencer-Programm das ändern werden, muss sich erst noch erweisen.

Es ist durchaus vorstellbar, dass Amazon mit dem Social Commerce und dessen Plattformen erstmals einen nennenswerten Herausforderer gegenübersteht.

Es geht um den Kundenkontakt

Die grossen Ketten haben Instagram, Pinterest oder Facebook längst für sich entdeckt und sind dort vertreten. Sie informieren ihre Follower und Fans über Produktneuheiten und Aktionen, starten Wettbewerbe und bieten teilweise den Nutzern exklusive Angebote. Mit dem Engagement in den Netzwerken wird eine Marke erlebbar. Und genau das können gerade auch kleinere Händler erreichen.

Sicher, der Aufbau einer nennenswerten Nutzerzahl, kostet Zeit und damit auch Geld. Der Aufwand lohnt sich aber. Denn wo sonst können Händler mit so vielen Kunden in direkte Interaktion treten? Ob Modehaus oder Buchhandlung, Blumenladen oder Kurzwaren – Inspirationen zu liefern, kann tatsächlich jedes Handelsunternehmen. Via Social Commerce lässt sich auch in schwierigen Zeiten der Kontakt zum Kunden halten. Und der ist viel zu wichtig, um ihn anderen zu überlassen.

Gerade kleinere (stationäre) Handel, die jetzt in den Social Commerce einsteigen, haben gute Chancen, sich von ihren Mitbewerbern abzuheben und sich zu profilieren. Diese Möglichkeit sollten sie nicht ungenutzt lassen.

Stephan Lamprecht, Journalist

Stephan Lamprecht begleitet seit zwei Jahrzehnten als Journalist und Berater das E-Commerce-Geschehen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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