Retail Analytics: dem Kunden auf der Spur

Marketing Retail Analytics: dem Kunden auf der Spur

Publiziert am 03.03.2020 von Stephan Lamprecht, Journalist

Während ein Onlineshop fast schon zu viele Daten produziert, deren Analyse viel über den Kunden verrät, haben es stationäre Händler deutlich schwerer. Mit unterschiedlichen technischen Ansätzen können Händler auch in ihren Läden das Kundenverhalten analysieren.

«Retail Analytics» klingt zwar sehr modern, beschreibt aber im Kern nur etwas, das (grössere) Händler regelmässig getan haben: die Zahl der Kunden zu messen, Informationen über ihre Zufriedenheit zu erhalten und sie zu beobachten.

Der klassische Ansatz, der ganz ohne Technik auskam, bestand darin, Mitarbeitende oder externes Personal damit zu beauftragen, die Kunden zu zählen und zu befragen. Das ist allerdings zeit- und damit kostenintensiv. Im Falle einer Befragung hängt viel vom Interviewer ab. Und bis aus den Ergebnissen Berichte generiert werden, dauert es seine Zeit.

Moderne Technik liefert hier deutlich schneller Ergebnisse und bietet zusätzlich die Möglichkeit, die gewonnenen Kennzahlen mit anderen Daten zu verknüpfen – ob Wetter, hyperlokale Informationen zu Innenstadtbesuchern, Umsätze von Filialen usw. Doch vor der Analyse kommt zuerst die Messung.

Wie sich Daten am Point of Sale gewinnen lassen

Naheliegend ist es, Technik einzusetzen, die ohnehin bereits vorhanden ist. So dürften die meisten stationären Händler in ihren Räumen Kameras installiert haben. Dank künstliche Intelligenz (KI) und den Fortschritten in der Bilderkennung liefern die Softwarebausteine der Surveillance-Lieferanten sehr gute Ergebnisse über Kundenzahl, Laufwege und Verweildauer. Um aber grössere Märkte lückenlos zu überwachen, sind entsprechende Investitionen notwendig. Und die Erkennung und visuelle Verfolgung von Personen zu Analysezwecken ist aus Datenschutzsicht nicht unproblematisch.

Da die meisten Kunden ohnehin ein Smartphone in der Tasche haben, setzen viele Anbieter von Analytics-Lösungen auf Technik, mit der sich der Kunde über das mobile Gerät identifizieren lässt. Meist kommt hier eine Kombination von verschiedenen Ansätzen zum Einsatz, um möglichst viele Kunden zu erfassen. WLAN-Ortung und die Peilung mittels Beacons, die auf Bluetooth setzen, werden kombiniert. Um den POS zu überwachen, muss dann eine entsprechende Anzahl von Beacons (kleine Funkmodule) bzw. WLAN-Sensoren installiert werden.

Dabei sollte man sich bewusst sein, dass es technisch bedingt zu Unschärfen kommt. Je mehr Bluetooth-Empfänger (also Kunden) im gleichen Raum unterwegs sind, desto ungenauer wird die Ermittlung. Das gilt sowohl für die zeitliche als auch für die räumliche Erfassung. Es liegt auf der Hand, dass alle Kunden, die WLAN und Bluetooth ausgeschaltet haben oder ohne Smartphone den Laden betreten, nicht erfasst werden können.

Ein völlig anderer Ansatz nutzt Ultraschall. Die Implementierung der Technik dürfte aufgrund der geringen Zahl an notwendigen Sendern günstiger als die Einrichtung von Beacons sein. Dabei werden für den Menschen unhörbare Signale ausgesendet, die vom Smartphone des Kunden empfangen werden. Damit das funktioniert, müssen die Kunden aber dazu gebracht werden, die App des Händlers zu installieren, über die die Auswertung erfolgt. Das gilt sinngemäss ebenfalls für die Auswertung mittels eines besonderen Frequenzbereichs aus der Beleuchtung.

Beacons, Ultraschall oder Licht lassen sich in Kombination mit einer App auch zur Navigation innerhalb des Ladens nutzen. Welche Technologie ein Händler nutzen will, hängt u. a. von seiner Investitionsbereitschaft, den baulichen Möglichkeiten und den Auswertungsfunktionen in der Software der Anbieter ab. Einen richtigen oder falschen Weg gibt es hier nicht.

Je detaillierter die Information, umso komplexer die Technik

Mit den gerade erwähnten Technologien lassen sich bereits einige wichtige Kenngrössen für die Steuerung einer Filiale ermitteln, wie die Zahl der Kunden, deren Laufwege und Verweildauer. Diese Werte lassen sich u. a. problemlos mit den Daten aus dem Kassensystem verknüpfen.

Wer noch tiefer einsteigen will, braucht aber weitere Spezialtechnik, die auf die jeweilige Branche abgestimmt ist. Beispiel Modehandel: Die Umkleidekabine, der Fitting Room, ist hier die Zentrale für die Kaufentscheidungen des Kunden. Für Modehändler interessant sind in diesem Zusammenhang beispielsweise:

  • Fitting Room Conversion Rate: Welche Produkte werden besonders häufig in die Umkleide genommen und dann auch gekauft? Ist die Zahl klein, kann über eine andere Warenplatzierung nachgedacht werden. Oder es werden direkt an der Umkleide entsprechende Hinweise gegeben oder das Personal weist auf besondere Stücke hin.
  • Cross Selling Quote: Die Kombination mehrerer Artikel ist im Bereich Fashion eine wichtige Kennzahl. Wer ein Hemd kauft, nimmt halt gern eine Krawatte dazu, und eine Hose lässt sich perfekt mit Sakko oder Kostüm kombinieren.

Es liegt auf der Hand, dass diese Zahlen anders ermittelt werden müssen. «Intelligente» Umkleidekabinen sind hier die Antwort. Sie ermitteln dank RFID-Etiketten an der Ware diskret, welche Stücke der Kunde mit in die Kabine genommen hat. Und die digitale Technik kann auch über Displays Empfehlungen aussprechen. Was heute in dieser Hinsicht bereits möglich ist, zeigt die Otto-Gruppe in Deutschland mit ihrem «Fashion Connect Store», der auch gerade mit einem Sonderpreis als «Store of the Year» ausgezeichnet wurde.

Händler müssen sich um das Wissen bemühen

Es gibt somit eine ganze Reihe unterschiedlicher Ansätze und Verfahren, um mehr über die Kunden herauszufinden. Für den stationären Handel gilt aber das gleiche wie für den Onlineshop: Bevor es an die Analyse geht, muss der Händler wissen, was er denn wissen möchte. Denn die Zahlen geben nur eine Antwort auf die Fragen, die an Sie gestellt werden.

Stephan Lamprecht, Journalist

Stephan Lamprecht begleitet seit zwei Jahrzehnten als Journalist und Berater das E-Commerce-Geschehen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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