Coronavirus und der Handel in der Schweiz

COVID-19 Coronavirus und der Handel in der Schweiz

Publiziert am 25.03.2020 von Stephan Lamprecht, Journalist

Weltweit sehen sich Regierungen zu immer drastischeren Massnahmen gezwungen, um die Pandemie mit dem Coronavirus zu verlangsamen. Eine Entwicklung, die auch den Handel der Schweiz trifft.

Fokus auf Grundversorgung

Weltweit zeigt sich in den Supermärkten ein ähnliches Bild. Kunden, die vor leeren Regalen stehen. Das Phänomen der «Hamsterkäufe» fordert gerade den Lebensmitteleinzelhandel bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit. Zwar besteht kein Problem mit der Warenversorgung, aber Logistik und gerade das Personal vor Ort kommen nur bedingt mit der verstärkten Nachfrage zurecht. Aus Angst davor, doch nichts mehr zu bekommen, bevorraten sich auch die Kunden verstärkt, die eigentlich keinen Grosseinkauf geplant hatten. Es besteht aber kein Problem mit der Versorgung der Bevölkerung und damit auch kein Grund für Hamsterkäufe, wie die Swiss Retail Federation betont.

Mit Denner hat einer der grössten Weinhändler des Landes seinen Onlineshop vorübergehend geschlossen, um die Verteilzentren zu entlasten. Der Fokus liegt auf der Versorgung der Filialen. So wird Lücken im Regal entgegengearbeitet.

Boom bei Lebensmittelversand und den Lädli

Das Gebot der Stunde lautet, besser zu Hause zu bleiben. Perfekte Voraussetzungen eigentlich für Lieferdienste von Lebensmitteln. Tatsächlich nehmen Anbieter wie Farmy eine sprunghaft gestiegene Nachfrage wahr. Allerdings geraten die Unternehmen dabei an ihre Grenzen. Coop@home hat eine Informationsseite geschaltet, die über den aktuellen Stand informiert. Das Unternehmen kann aktuell keinen Pickup-Service anbieten und bemüht sich, die Lieferslots zu erhöhen. Kunden, die erfolgreich einen Termin gebucht haben, können die Bestellung nicht nachträglich bearbeiten.

Bei LeShop müssen sich die Interessenten in eine virtuelle Schlange einreihen, um überhaupt in den Shop gelassen zu werden. Auch dieser Anbieter ist bemüht, Lieferkapazitäten hochzufahren, die Lieferfristen bzw. Terminfenster für die Konsumenten werden aber länger. Allerdings scheint zweifelhaft, dass sich aus dem gewachsenen Interesse der Konsumenten eine dauerhafte Veränderung des Marktes bei E-Food ergibt.

Die Schliessung von Läden und die Verlagerung des Arbeitslebens in das Home Office spüren auch die Quartierläden. Die «Lädeli» als Nahversorger bemerken die Veränderung an deutlich gestiegenen Kundenzahlen. Die Konsumenten wollen wenig Zeit mit dem Einkaufen verbringen und besinnen sich auf die Geschäfte um die Ecke.

Stationäre Händler sollten jetzt einen Shop eröffnen

Die Schliessung von Ladengeschäften trifft besonders die Händler hart, die sich bisher dem Onlinehandel verschlossen haben. Fast 70 Prozent der Händler in der Schweiz bieten ihr Sortiment noch nicht online an. Einer der Hauptgründe für diese Verweigerung scheint in der falschen Haltung zu bestehen, dass aufgrund der guten Kundenbeziehungen darauf verzichtet werden konnte. Doch diese Beziehungen sind während eines Lockdowns eingefroren. Hier muss spätestens jetzt ein Umdenken einsetzen.

In Deutschland hat eBay aktuell ein Soforthilfeprogramm gestartet. Die Plattform verzichtet in den kommenden Wochen auf seine Provision bei neu angemeldeten Händlern.

Ricardo bietet vom Lockdown betroffenen Läden aktive Starthilfe zum Onlinehandel und ein Gebühren-Guthaben von je 1000.- Franken.

Wie das Beispiel Zürich oder Bern zeigt, sind viele Händler durchaus erfinderisch und bieten einen Lieferservice an. Bücher, Blumen, Speisen und Getränke, selbst Noten, können sich die Konsumenten nach Hause liefern lassen. Andere versuchen, mit kreativen eigenen Lösungen den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten, zum Beispiel Bringdienste über Facebook anzubieten.

Blick über die Grenzen hinweg

Ein Blick über die Landesgrenzen hinweg zeigt, dass der Handel trotz aller Schwierigkeiten kreative Lösungen findet. In Irland, Australien und Grossbritannien reservieren immer mehr Geschäfte des Lebensmitteleinzelhandels ein oder zwei Stunden der Öffnungszeit für die Einkäufe von Risikogruppen und älteren Menschen. In Österreich ist dies inzwischen auch die Empfehlung des Handelsverbands.

In Deutschland kooperieren McDonald’s und Aldi. Da die Restaurants schliessen mussten, unterstützen die Mitarbeiter jetzt den Discounter beim Auffüllen der Regale.

Weltweit sorgen Markenhersteller für Aufsehen, die Produktionen umstellen oder Rohstoffe zur Herstellung dringend benötigter Güter zur Verfügung stellen. So spendet der Spirituosenhersteller Pernod Ricard reinen Alkohol, damit das Unternehmen Laboratoire Cooper daraus Desinfektionsmittel produzieren kann.

Noch ist es zu früh, um überhaupt zu überblicken, welche wirtschaftlichen Folgen die Pandemie auf die Unternehmen haben wird. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv vertritt aber klar die Auffassung, dass Hilfsfonds nach dem Prinzip «KMU first» eingerichtet werden müssen.

Stephan Lamprecht, Journalist

Stephan Lamprecht begleitet seit zwei Jahrzehnten als Journalist und Berater das E-Commerce-Geschehen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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