Jugendliche und digitale Medien

Jugendliche und digitale Medien Denn sie sind eben doch noch nicht so gross

Publiziert am 30.09.2019 von Dr. phil. Eveline Hipeli, Publizistik- und Kommunikationswissenschaftlerin

Wenn Kinder in die Pubertät eintauchen und von den «herzigen Kleinen» zu jungen Erwachsenen werden, nimmt die elterliche Kontrolle über ihre Mediennutzung schrittweise ab. Gespräche über Medien hingegen sollten noch immer Platz im familiären Alltag finden – denn sie fördern die Medienkompetenz der Jugendlichen und der Eltern ebenso. Dabei dürften sich die Eltern ruhig noch mehr zutrauen.

Sabrina ist 14 Jahre alt. Sie trifft sich in ihrer knappen freien Zeit am liebsten mit Freunden und schaut leidenschaftlich gerne Serien, die sie zu Hause via Laptop geniesst und unterwegs auf das Smartphone streamt. Seit sie 11 Jahre alt ist, begleitet sie ein Kleincomputer in ihrem Lieblingsrucksack, den bunte Blitze zieren. Am Verschluss hängt ein regenbogenfarbenes Plüscheinhorn. Wenn Sabrina am Abend nach Hause kommt, erwarten sie nicht immer alle Geschwister und beide Elternteile, aber jemand ist immer da. Spätestens beim Znacht versammelt sich der grösste Teil der Familie dann doch, und es wird geredet. Über dies, über das. Auch über Medien. Auch die Eltern erzählen von sich, sie fragen Sabrina und ihre Geschwister nicht einfach nur aus. Und nicht selten werden Familienregeln mit Medien just an diesem Tisch miteinander besprochen und neu ausgehandelt. Sabrinas Freund Beat kennt diese Situationen nicht. Er spielt leidenschaftlich, mal auf dem Bildschirm und oft auch auf dem Fussballplatz. Zwar sitzt auch er mit seinen Eltern mehrmals pro Woche am Familientisch, aber Medien waren und sind nie ein grosses Thema. Sie sind einfach da. Von Beginn an haben seine Eltern ihm und seinem Bruder sehr grosse Freiheiten mit Medien gelassen, solange «die Schulleistungen stimmen». Und seit mit 10,5 Jahren das Smartphone in Beats Leben trat, ist dies nicht anders. Dies liegt nicht daran, dass sich seine Eltern nicht für ihn interessieren. Aber sie «kommen gar nicht nach mit all den neuen Apps» und fühlen sich von der Fülle an Medieninhalten dermassen erschlagen, dass sie ein bisschen resigniert haben. Zum Glück bietet die Schule ein wenig Unterstützung – in manchen Projektwochen hat Beat bereits Dinge über Cybermobbing und Sexting erfahren. Und – das hat Beats Vater erst kürzlich im Gespräch mit anderen Eltern vernommen – mit dem neuen Lehrplan 21 wird das Fach Medien und Informatik sicher auch dafür sorgen, dass die Kinder medienkompetenter mit den elektronischen Medien umgehen werden. Das hoffen er und seine Frau zumindest.

Sabrina und Beat sind nur zwei Beispiele aus der grossen Menge «älterer Kinder» und «junger Erwachsener», die in einer entwicklungstechnisch anspruchsvollen Übergangsphase stecken: der Pubertät. Mit einem Bein noch Kind, tun sich auf der anderen Seite bereits Ausblicke in die Zukunft auf. Verantwortung. Pläne. Perspektiven für Privatleben und Beruf. Informationen zu allen erdenklichen Themen sind rasch ergoogelt, aber werden nicht immer ohne einen Gesprächspartner verstanden. Die Themen- und Unterhaltungsvielfalt kann bereichern, überraschen, faszinieren, aufklären, aber auch erschlagen, ablenken, überfordern und erschrecken. Sowohl Sabrina als auch Beat haben ein stabiles familiäres Setting. Gewissheit, dass sie theoretisch mit allen Anliegen zu ihren Eltern gelangen können. Das können bei Weitem nicht alle Jugendlichen von sich behaupten. Dennoch wählen Sabrina und Beat in ihrem Alter oftmals lieber einen guten Freund oder eine Freundin aus, wenn es um delikate Themen geht – oder Themen, «bei denen die Eltern ohnehin keine Ahnung haben». Wie auch Medienthemen. Und das ist gar nicht einmal schlecht. Anschlusskommunikation nennt sich dies und meint die Unterhaltung über rezipierte Medieninhalte. Selbst das Sprechen über Medien fördert die individuelle Medienkompetenz, weil Dinge aktiv reflektiert und hinterfragt werden. Egal, mit wem. Denn die Nutzung eines Geräts allein macht noch keinen (Medien-)Meister. Das weiss unterdessen auch Sabrina. Denn während sie ihrem Vater das nicht mehr funktionierende Skype erklärt und der Mutter die neue WhatsApp-Version installiert, haben ihre Eltern ihr schon oft den einen oder anderen Tipp im Umgang mit Menschen on- und offline gegeben: nicht, weil sie unheimlich gut mit neuen Medien «z’schlag» kämen, aber weil sie über viel Lebenserfahrung verfügen und offen mit ihren Kindern kommunizieren. Themen wie Respekt, Umgangsformen, Konsumkompetenzen oder Kritikfähigkeit haben über die Zeit nicht an Wichtigkeit verloren, sondern eher noch an ebendieser gewonnen. Beats Eltern wissen über diese Dinge ebenfalls Bescheid. Und würden sie ermutigt, die Medien nicht als ein separates Konstrukt zu betrachten, welches sie «einfach kaum mehr verstehen», dann wäre es für sie ein Leichtes, diese Themen auch medienbezogen mit Beat zu besprechen. Denn Eltern können punkto Medien in der Regel viel mehr, als sie denken. 

Noch einige Jahre, dann werden Sabrina und Beat ihre eigenen Wege gehen und allerspätestens mit der Volljährigkeit werden heimische Medienregeln (falls vorhanden) ohnehin keine Gültigkeit mehr haben. Es ist aber zu hoffen, dass sie bis dahin gelernt haben werden, dass es gar nicht einmal so dumm ist, sich selbst von Zeit zu Zeit bestimmte Regeln aufzuerlegen, auch mit Medien. Damit sie im Leben ein nützliches, unterhaltsames Werkzeug bleiben, und durch sie wichtige nichtmediale Aktivitäten nicht zu fest in den Hintergrund rücken. Doch noch ist es nicht so weit. Es bleiben ihnen noch ein paar Jahre. Zeit, in der ihre Eltern nicht von Medienregeln absehen sollten. Gemeinsam verhandelt mit ihren Kindern und authentisch umgesetzt – auch durch die Eltern selbst. Denn ihre Kinder mögen erwachsener wirken als auch schon. Aber am Ende sind sie in der Pubertät und eben: doch noch nicht so gross.

Dr. phil. Eveline Hipeli referiert zu diesem Thema an der Connecta Bern.

Dr. phil. Eveline Hipeli, Publizistik- und Kommunikationswissenschafterin

Dr. Eveline Hipeli studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaften, Musikethnologie und Europäische Volksliteratur an der Universität Zürich und an der Universität Wien. Sie ist Medienpädagogin / Kommunikationswissenschaftlerin und Autorin verschiedener Bücher, unter anderem des Ratgebers «Medien-Kids» (Beobachter-Verlag) und der Reihe «Ulla aus dem Eulenwald» (LMVZ).

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